Witten. . Seit Jahren liegt die Hevenerin mit der AOK Witten über Kleckerbeiträge im Clinch. Insgesamt geht es um 50,46 Euro. Jetzt wurde der 76-Jährigen mit Entzug der Versichertenkarte gedroht. Alles nur ein Versehen, entschuldigt sich die Kasse auf Nachfrage. Schuld sei ein falsches Standardschreiben.

Anna-Elisabeth Brechtmann fühlt sich wie „im falschen Film“. Seit Jahren liegt die Hevenerin (76) mit der AOK Witten über Kleckerbeiträge im Clinch. Jetzt flatterte ihr ein Schreiben der Kasse ins Haus: Sie soll innerhalb von 14 Tagen zahlen. Andernfalls müsse sie ihre Versicherungskarte abgeben und ihre Leistungsansprüche würden „ruhen“.

„Die wollen mich rausschmeißen“, glaubt die frühere Leserbeirätin unserer Zeitung. Und stellt gleich klar: „Die kriegen die Karte nicht. Die brauche ich doch, wenn ich zum Doktor gehen muss.“ Dabei habe sie sich schon ein ganzes Jahr alle Arztbesuche verkniffen: „Zehn Euro Eintritt im Quartal – das ist für mich viel Geld.“

50,46 Euro Mahngebühren

Auf 50 Euro und 46 Cent, Mahngebühren inklusive, beläuft sich die aktuelle Nachforderung der AOK Witten. Das zahlt Anna-Elisabeth Brechmann eben nicht aus der Portokasse. „Ich kann mir das einfach nicht erlauben“, sagt sie. Am letzten Monatsende hatte sie fünf Euro übrig, davor drei Euro und davor 32 Cent. „Ich kann mir kein Kino und kein Theater leisten. Vor vier Jahren bin ich zum letzten Mal ein paar Tage weggefahren.“

Sie hat in der Bäckerei, beim Metzger und bei Karstadt gearbeitet, vier Jahre eine eigene Gaststätte geführt. 13 Jahre war sie auf Sozialhilfe angewiesen, bis zum Renteneintritt 1999. Damals war sie froh, dass die AOK Witten sie überhaupt als Versicherte aufnahm. Bei anderen Kassen hatte sie sich damals die Hacken abgelaufen.

Falscher Formbrief der AOK

Die Hevenerin muss mit einer Netto-Rente von 708 Euro auskommen. Vom Brutto führt die Deutsche Rentenversicherung schon vorab 80 Euro an die AOK für Kranken- und Pflegeversicherung ab. Warum sie zusätzlich überhaupt noch eigene Beiträge an die AOK zahlen muss - 15,42 Euro Kranken-, 2,02 Euro Rentenversicherung - kann Anna-Elisabeth Brechtmann nicht verstehen.

Die AOK Witten konnte das am Donnerstag auf Anfrage erläutern. Andrea Klommhaus, zuständige Teamleiterin, stellte aber als Erstes zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass an die Wittenerin offenbar ein falscher Formbrief rausgegangen war. Für diesen Fehler machte sie das automatisierte Mahnverfahren und häufig wechselnde Bemessungsgrundlagen verantwortlich. „Dafür entschuldigen wir uns und wir werden uns deshalb auch noch mal mit der Klientin in Verbindung setzen.“

"Rausschmiss gibt es bei uns nicht"

Bei geringen Rückständen wie bei Anna-Elisabeth Brechmann schickt die AOK normalerweise einfache Mahnschreiben. Erst wenn mindestens ein ganzer regulärer Montagsbeitrag (147,47 Euro für Kranken- und Pflegeversicherung) ausstehe, schicke man üblicherweise die Mahnung raus, in der die Versicherungskarte zurückgefordert und das „Ruhen der Leistungen“ angekündigt werde.

Aber selbst in einem solchen Fall sei die Behandlung akuter Erkrankungen gewährleistet wie auch gesetzliche Vorsorgeuntersuchungen, betont die Krankenkasse. Die Karte müsse man dann zwar abgeben, die AOK stelle aber einzelne Berechtigungsscheine aus. Andrea Klommhaus: „Einen Rausschmiss gibt es bei uns gar nicht. Eine Mahnung ist die einzige rechtliche Handhabe, um bei Rückständen auf Mitglieder einzuwirken.“