Witten. . Dieter Bednarz, Polit-Redakteur beim Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, ist auf Spurensuche in Witten.
Aber er recherchiert nicht etwa für eine brisante Enthüllungsgeschichte, sondern für einen Familienroman mit dem Arbeitstitel „Ruthchens Erinnerungen“, der ihn zurück zu den eigenen Wurzeln führt.
Denn Paul und Erna Bednarz, die Eltern seines Vaters Paul-Dieter, wohnten viele Jahrzehnte lang in der Schottsiedlung am Crengeldanz. Und die Knappmanns, Eltern seiner Mutter Ruth, lebten etwa einen Kilometer davon entfernt „weiter oben“ an der Bömmerdelle in Bochum-Langendreer (Hörder Straße 108).
Aus diesem nicht nur topografischen, sondern auch sozialen Gefälle bezieht der geplante Roman des Autors einige seiner Reibungsflächen. Allerdings wird er darin nicht eins zu eins seine eigene Geschichte erzählen, sondern es geht um eine Tochter, die von ihrer Mutter wissen möchte, was ihre Eltern geprägt hat und warum diese einiges verdrängt.
Alles andere als verdrängt hat Dieter Bednarz selbst die Erinnerungen an die Tage bei seinen Großeltern. „Von dieser Mauer bin ich oft gesprungen und habe mir dabei, ebenso wie beim Fußball spielen hier, die Knie aufgestoßen. Aber da war der Platz noch geschottert“, erinnert er sich jetzt bei seinem Besuch in der Schottsiedlung.
Meist am Wochenende war der heute 55-Jährige, der im Knappschaftskrankenhaus in Langendreer geboren wurde und in Essen aufwuchs, zu Besuch in Witten. „In der Woche war ich dann eher bei den Großeltern auf der Bömmerdelle, denn die hatten eine großen Garten zum Spielen“, erzählt er.
Überhaupt sei ihm damals jener Teil der Familie, in dem es einen Gaststättenbesitzer und einen Drogisten „im beeindruckend weißen Kittel“ gab, reicher und etwas dünkelhafter erschienen als die vor langer Zeit aus Polen zugereiste Schottstraßen-Verwandtschaft. „Großvater Paul war Straßenbahner. Ursprünglich als Schweißer, später als technischer Zeichner. Und ich lasse gerade von der Bogestra prüfen, ob die Geschichte stimmt, die in unserer Familie kursiert, dass er der Erfinder der von innen verstellbaren Straßenbahnweiche war“, erzählt der Spurensucher.
„Bei uns hieß er Opa Bednarz und uns jungen Leuten erschien er als etwa komischer Kauz, der sich häufig Wortgefechte mit den Nachbarn lieferte“, erinnert sich Gerd Gahr. Der heute 55-Jährige wohnt in der Schottstraße 14 und damit dem Haus Nummer 28 gegenüber, wo einst die Bednarz im ersten Stock lebten. „Es stimmt, Opa war tatsächlich schnell im Kopf und mit der Zunge“, bestätigt Dieter Bednarz lachend die Erinnerung von Gerd Gahr.
Doch als dieser meint, „man hat hier damals erzählt, Opa Bednarz sei während der Kriegszeit in Afrika gewesen“, widerspricht der Enkel vehement: „Das ist ein Mythos. Er war in der berüchtigten Strafkompanie 999 auf Rhodos, weil er ein Gegner des Nazi-Regimes war und 1935 monatlich 50 Pfennig für die KPD bezahlt hat. Dafür musste er drei Jahre ins Zuchthaus.“
Man sieht also, dass Dieter Bednarz bereits mit geradezu archäologischer Genauigkeit in der Familiengeschichte geschürft hat. Und man ahnt, dass es nicht sein letzter Besuch in dieser Mission in Witten bleiben wird.
Erfreut wäre er, wenn Wittener, die sich an seine Großeltern erinnern, Kontakt mit ihm aufnähmen. Entweder über unsere Zeitung oder per E-Mail an die Adresse: dieter_bednarz@spiegel.de