16 Jugendliche aus Israel, 16 Elftklässler aus Witten, eine verbindende Vergangenheit: Beim gemeinsamen Stadtrundgang lernten Holzkampschüler und ihre israelischen Austauschgäste markante Punkte der jüdischen Stadtgeschichte kennen.

Dabei wurden sie nicht von einem Stadtführer begleitet, sondern von den eigenen Mitschülern, die vorher in Eigenarbeit das Programm ausgearbeitet haben. An der Immermannstraße/Ecke Westfeldstraße betritt die Gruppe ehrfürchtig schweigend die sonnige Wiese. Auch Gras und Löwenzahn können nicht über die traurige Vergangenheit dieses Ortes hinwegtäuschen.

Die Gedenkplatten und die übrig gebliebenen Pfeiler der Umzäunung sind die letzten Zeugen einer Zeit, in der hier das Buchenwalder KZ-Außenlager „Annener Gussstahlwerk“ stand. Der 17-jährige Wittener Leon Lahnwehr kennt sich mit dieser dunklen Geschichte aus. Auf Englisch berichtet er der Schülergruppe von den unwürdigen Lebensbedingungen, dem Arbeitseinsatz der Häftlinge in den Jahren 1944-45, vom Todesmarsch und der Befreiung.

„Wie viele Menschen waren hier inhaftiert?“ Zirka 700. „Wie viele Personen sind gestorben?“ Leon und ein Mitschüler können alle Fragen ihrer Altersgenossen sofort beantworten.

Mehrere Tage haben sich die Jugendlichen in ihrer Freizeit in einer siebenköpfige Gruppe auf diese besondere Stadtführung vorbereitet. Gemeinsam wählten sie die Orte aus und schritten sie ab. Unter Anleitung von Stadtarchiv-Leiterin Dr. Martina Kliner-Fruck wurden die geschichtlichen Informationen zusammengetragen.

Während die Archivarin besonders die Interessen der Jugendlichen kennenlernen und fördern möchte, steht für die Schüler nicht zuletzt der Kontakt mit den Austausch-partnern im Vordergrund: „Am meisten Spaß macht mir das Vermitteln der Geschichte. Da wir Englisch sprechen, kann ich sogar meine Fremdsprachenkenntnisse verbessern“, sagt Leon Lanwehr, bevor es für die Gruppe mit dem Bus weiter zum jüdischen Friedhof im Ledderken geht.

Dort gibt der 18-jährige Nils Michels einen geschichtlichen Überblick. Die Jugendlichen wandern gemeinsam über den moosbedeckten Boden und betrachten einzelne Grabsteine. Zwei Mitschülerinnen haben sich im Vorfeld einen Stein ausgesucht und stellen exemplarisch das Leben der Verstorbenen dar.

Sie reichen ein Foto herum und zeigen, dass an jedem der efeuüberwucherten Gräber eine ganz eigene Geschichte ablesbar ist, an jedem auch ein persönliches Schicksal haftet. „Es ist schon erstaunlich, wenn man all diese Orte jetzt mit eigenen Augen sieht“, erzählt Mitschülerin Alexandra Vrettos (16). Schließlich seien unter den Austauschschülern auch einige Juden. Da bekäme die Geschichte eine neue Aktualität: „Man beschäftigt sich jetzt auf jeden Fall noch mehr mit dem Thema.“

Als letzte Station des geschichtlichen Rundgangs steht das Denkmal in der Synagogenstraße auf dem Plan. Danach geht es weiter zum Lew-Hasharon-Platz hinter dem Rathaus. Dort ist bis heute auf dem Straßenschild auch der Hebräische Name vermerkt. Es ist nur einer von vielen Punkten im Stadtbild, die auf die gemeinsame Geschichte hindeuten, wie die Jugendlichen an diesem Tag erfahren durften.