Herne. Nicht nur die Bürger sind in Sachen Schweinegrippen-Impfung verunsichert. Das Gesundheitssystem scheint sich im Abwicklungsverfahren verheddert zu haben. Das sei „sehr kompliziert” heißt es im Gesundheitsamt, „Zettelwirtschaft im Stil der 50er Jahre”, nennt es der Herner Ärztesprecher.

Am Montag sollte die groß angelegte Impfaktion losgehen, zumindest für die erste Prioritätengruppe. Medizinisches Personal, Polizei und Feuerwehr sollten von den entsprechenden Betriebsärzten geimpft werden. In Herne passierte zunächst nichts, bis heute. Im Gesundheitsamt wartet man vergeblich auf die ersten „Bedarfsmeldungen” - zuerst aus den Einrichtungen, ab dem 9. November dann aber auch von einzelnen Bürgern aus den „normalen” Arztpraxen. Zumindest theoretisch, so versichert der Fachbereich Gesundheit, sei das Prozedere eindeutig: Der Arzt meldet seinen Impfstoffbedarf dem städtischen Gesundheitsamt, das meldet den Abruf beim Ministerium und gibt parallel dazu den entsprechenden Teil der reservierten Serum-Kontingente frei. Der Impfstoff darf dann über eine von insgesamt sechs im Stadtgebiet autorisierten Apotheken an den impfenden Arzt ausgegeben werden.

Und praktisch? „Sind die bürokratischen Vorgaben nicht praktikabel, ist der gesamte Ablauf nicht mit dem normalen Praxisablauf in Einklang zu bringen”, meint der Allgemeinmediziner und Sprecher der Herner Ärzteschaft Heinz Johann Struckhoff. „Das Land erfindet das Rad neu und die Ärzte fungieren dabei als Verwaltungshelfer”, sagt Struckhoff. Er selbst gehört deshalb nicht zu den „insgesamt 40 Praxen mit 60 bis 70 Ärzten im Stadtgebiet”, die laut dem Herner Gesundheitsamtsleiter Rudolf Pinkal künftig als Impfärzte zur Verfügung stehen werden.

Die KV hat alle in Frage kommenden Ärzte angeschrieben

Über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster seien alle in Frage kommenden Ärzte angeschrieben und gefragt worden, ob sie als Impfarzt fungieren wollen.

„Diese Liste von der KV ist erst seit heute Morgen komplett”, sagte Pinkal am Mittwoch und erklärte das weitere Vorgehen: „Noch in dieser Woche gehen die Mitwirkungserklärungen an die einzelnen Praxen heraus, die dann eine Impferklärung unterschreiben und an uns zurückschicken müssen.” In der Woche ab dem 9. November soll dann die Liste mit der entgültigen Aufstellung der Impfpraxen stehen. Die soll dann allen Praxen zur Verfügung gestellt werden, der behandelnde Hausarzt soll, sofern er selbst nicht impfen kann oder will, seine impfwilligen Patienten an einen Kollegen verweisen.

„Beantragen, ausfüllen und hin- und herfaxen”

Als „viel zu kompliziert”, erachtet Struckhoff vor allem den bei jedem Schritt erneut nötigen Gang über das Gesundheitsamt, samt „beantragen, ausfüllen und hin- und herfaxen”. Auch Pinkal bestätigt: „Ich halte das gesamte Verfahren für sehr kompliziert. Aber es gibt die entsprechenden Vorgaben der Landesregierung, über die wir uns nicht einfach hinwegsetzen dürfen.”

Unter Berücksichtigung der breiten Verunsicherung der Bürger hinsichtlich der Notwendigkeit und der eventuellen Nebenwirkungen einer Impfung formuliert Struckhoff das Impf-Dilemma so: „Die Regierung hat einen Haufen Zeug gekauft und muss jetzt sehen, wie sie es los wird. Sollte es tatsächlich zu einer Pandemie kommen, können sie ihr Verfahren sowieso in die Tonne werfen.”