Witten. .
Als sich die Welt über Yasmin öffnete, waren ihre Haut noch hauchdünn und ihre Lungen unfähig zum Atmen. Nur 22 Wochen und drei Tage lag sie im Bauch ihrer Mama, bis eine Infektion zu frühzeitigen Wehen führte. Viel zu früh.
Ein kleines Bärchen mit ihrem Namen lächelt über ihrem Köpfchen, ihre großen braunen Augen hängen gebannt an den bunten Klötzchen, die an einer Kette in Greifhöhe aufgereiht sind. Bald darf Yasmin nach Hause – mit fast 4000 Gramm und 57 Zentimetern ein properes Baby. Fast sieben Monate nach ihrer Geburt.
In Deutschland werde Ärzten empfohlen, Frühgeborene ab der 24. Woche intensivmedizinisch zu behandeln, sagt der Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Marien-Hospital Dr. Jan-Claudius Becker. Von der 22. bis zur 23. Woche müssten die Ärzte bei jedem Fall neu entscheiden, ob sie versuchen, das Frühchen durchzubringen oder ob sie es beim Sterben begleiten. Auch mit Yasmins Mama haben die Ärzte vor der Geburt offen gesprochen. Sie wollte, dass die Ärzte alles versuchen. Und so haben sie gekämpft an diesem 2. November, als sich die Wehen nicht mehr aufhalten ließen und diese Handvoll Leben auf die Welt kam.
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520 Gramm wog sie nur, so viel wie ein Töpfchen Margarine. „Aber sie zeigte deutliche Lebenszeichen“, erinnert sich Oberarzt Dr. Bahman Gahravi. „Sie wollte atmen, ihre Haut war rosig.“ Yasmin war eine Kämpferin. Und ein Glückskind: Denn in den kritischen ersten Wochen kam es nie zu Gehirnblutungen. Auch all ihre gesundheitlichen Probleme meisterte ihr kleiner Körper nach und nach.
Frühförderung ist jetzt ganz wichtig
Jetzt atmet sie ganz alleine. In ihrem rosa Nicki-Jäckchen liegt sie kuschelig unter einer weichen Decke, fuchtelt mit ihrem Ärmchen und hört aufmerksam zu, was die beiden Ärzte so über sie erzählen. Als Dr. Gahravi sie direkt anspricht, lächelt die kleine Maus. Nur ein Monitor, der ihre Herztöne und die Sauerstoffsättigung in ihrem Blut misst, erinnert daran, wie schwer es die Kleine hatte. Ihre Mama, die die ersten drei Monate mit ihrer Tochter im Marien-Hospital verbracht hat, schläft jetzt wieder bei Yasmin im Zimmer. Sie will sich vorbereiten auf die Zeit nach der Klinik. Denn Frühförderung ist jetzt ganz wichtig für Yasmin.
Niemand kann zu diesem Zeitpunkt sagen, ob sich das kleine Mädchen normal entwickeln wird. Das Risiko von Spätschäden ist bei Frühgeborenen groß. Erst mit der Zeit werde man sehen, ob sie wie andere Babys auch sitzen, laufen und sprechen wird. „Das A und O ist deshalb die Frühförderung“, sagt Oberarzt Gahravi. Damit Yasmin diese auch zu Hause in Herne in optimaler Weise erhält, organisiere das Team des Marien-Hospitals die Versorgung von hier aus, sagt Chefarzt Becker. „Denn wenn Yasmin zu Hause ist, hat ihre Mama genug zu tun.“
In ein paar Tagen wird Yasmins Bettchen wieder leer sein. Doch vermutlich nicht lange. Im Marien-Hospital werden viele Babys behandelt, die vor der 37. Woche auf die Welt kommen, etwa 20 bis 30 pro Jahr wiegen weniger als 1200 Gramm. Yasmin wird das Team trotzdem so schnell nicht vergessen: Sie war das jüngste Frühchen, das jemals hier versorgt wurde.