Witten. Nicht jeder darf beim Tierheim Witten einen Hund adoptieren. Daran gibt es Kritik. Nach diesen Regeln arbeiten die Tierschützer.

  • In den Sozialen Medien beschweren sich immer wieder User darüber, dass das Tierheim Witten zu harte Regeln für die Vermittlung eines Tieres – speziell von Hunden – habe.
  • Generell wird hier aber niemand ausgeschlossen: Auch Senioren, Berufstätige und Familien mit kleinen Kindern können hier einen Vierbeiner adoptieren – wenn es denn passt.
  • „Ich vermittle keinen Herdenschützer in eine Ein-Zimmer-Wohnung“, sagt Heimleiterin Kirsten Simon. Doch solche nicht artgerechten Anfragen kommen immer wieder.

„Die wollen doch eigentlich gar kein Tier vermitteln!“ lautet ein häufiger Vorwurf in den Sozialen Medien, wenn es um das Tierheim Witten geht. Die Hürden seien zu hoch und eigentlich von niemanden zu erfüllen. Das Haus an der Wetterstraße sieht sich regelmäßiger Kritik ausgesetzt. Doch sind die Kriterien wirklich so streng? Wir haben nachgefragt.

Eigentlich nur müde lächeln können da Kirsten Simon, Leiterin des Tierheims, und Wiebke Blomberg, erste Vorstandsvorsitzende des zugehörigen Vereins. „Wir sind eigentlich grundsätzlich überhaupt nicht streng, sondern schauen auf den Einzelfall“, sagt Blomberg. Anders als in vielen anderen Tierheimen üblich vermittelt das Tierheim Witten etwa auch Hunde an Menschen über 65 Jahren. Natürlich nicht unbedingt einen Welpen. „Aber das wird auch kaum nachgefragt“, so Simon.

Auch Berufstätige können im Tierhiem Witten einen Hund adoptieren

Auch Berufstätige können grundsätzlich einen Hund adoptieren – anders als in anderen Einrichtungen. „Schließlich haben wir auch alle selbst einen Hund und arbeiten“, sagt die Leiterin des Tierheims an der Wetterstraße. Lediglich wer einen Welpen bei sich aufnehmen will, sollte die nötige Zeit dafür einplanen - und gegebenenfalls Urlaub nehmen. Erst mit fünf bis sechs Monaten sollte man einen heranwachsenden Hund längere Zeit alleine lassen.

Herdenschutzhund Hugo wartet seit über vier Jahren im Tierheim Witten auf ein neues Zuhause. Früher hat er einen Schrottplatz bewacht. Er braucht ein Zuhause mit viel Platz. Ein Interessent mit kleiner Wohnung mitten in Berlin-Mitte wollte ihn adoptieren. Für Tierheimleiterin Kirsten Simon ein „No-Go“.
Herdenschutzhund Hugo wartet seit über vier Jahren im Tierheim Witten auf ein neues Zuhause. Früher hat er einen Schrottplatz bewacht. Er braucht ein Zuhause mit viel Platz. Ein Interessent mit kleiner Wohnung mitten in Berlin-Mitte wollte ihn adoptieren. Für Tierheimleiterin Kirsten Simon ein „No-Go“. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Eine rote Linie hat das Tierheim aber: Wer die Schutzgebühr – beim Hund sind das mindestens 350 Euro – nicht auf einmal zahlen kann, darf kein Tier mit nach Hause nehmen. „Da besteht die berechtigte Sorge, dass dann auch die tierärztliche Versorgung nicht gesichert wäre“, so Simon. Und wohin das am Ende führt, erlebt ihr Team derzeit häufig. „Viele Menschen wollen ihr Tier bei uns abgeben, weil es krank ist und sie die Arztrechnung nicht zahlen können“, sagt Vereinschefin Blomberg.

Schriftliche Erlaubnis des Vermieters

Und wer zur Miete wohnt, benötigt die schriftliche Zustimmung seines Vermieters. Bei als gefährlich eingestuften Rassen, von denen es auch einige im Tierheim gibt, muss zudem ausdrücklich in der Erlaubnis stehen, dass diese sogenannten Listen-Hunde in der Wohnung erlaubt sind. „Aber dafür werden wir angefeindet“, ärgert sich Simon. Auch, wenn das Tierheim sich weigert, einen großen Herdenschutzhund, der zum Glücklichsein ein großes Gelände zum Bewachen braucht, in eine 1-Zimmer-Dachgeschosswohnung zu vermitteln.

Wiebke Blomberg wünscht sich eine zweite Chance für den elf Jahre alten Malinois Darco. Der Rüde hat schon einmal zugebissen und mag keine Kinder. Sonst ist er Menschen gegenüber freundlich. Das Tierheim kann ihn sich etwa in einem Haushalt mit fitten Senioren sehr gut vorstellen. Aufgrund seines Alters muss er nicht mehr so sehr ausgelastet werden, wie es sonst für seine Rasse üblich ist.
Wiebke Blomberg wünscht sich eine zweite Chance für den elf Jahre alten Malinois Darco. Der Rüde hat schon einmal zugebissen und mag keine Kinder. Sonst ist er Menschen gegenüber freundlich. Das Tierheim kann ihn sich etwa in einem Haushalt mit fitten Senioren sehr gut vorstellen. Aufgrund seines Alters muss er nicht mehr so sehr ausgelastet werden, wie es sonst für seine Rasse üblich ist. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

„Das ist dann einfach nicht artgerecht“, sagt Wiebke Blomberg. „Und letztendlich ist es unsere Verantwortung. Wir versuchen, für die Tiere das Bestmögliche herauszuholen, das bestmögliche Zuhause zu finden. “ Man lerne die Menschen im Gespräch kennen, entscheide dann ganz individuell nach Tier und Interessent. Gerade bei Langzeitinsassen vermittle man auch schon mal in eine „nicht perfekte“ Situation, sagt Heimleiterin Kirsten Simon. Die maßgebliche Frage dabei: „Ist es für das Tier eine Verbesserung?“

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Auch an Familien mit Kindern werden Hunde vermittelt

Bestes Beispiel ist da übrigens die Vorstandsvorsitzende selbst. Vor einigen Jahren – da hatte Wiebke Blomberg mit dem Verein noch nichts zu tun – hat sie aus dem Tierheim eine achtjährige Rottweilerhündin adopiert, eine „schwierige Hündin“, wie sie betont. Die 33-Jährige lebt in einer Dachgeschosswohnung, ist berufstätig. Aber weil sie echtes Interesse an dem Tier zeigte, fast täglich zum Kennenlernen und Spazierengehen vorbeikam, durfte sie Tara schlussendlich mit nach Hause nehmen.

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„Tiere werden von einigen Menschen passend zur Einrichtung ausgesucht, aber ohne jegliches Wissen über die Rasse“, kritisiert Tierschützerin Simon. Auf die Expertise der Fachleute wollten sich viele nicht verlassen. „Wir vermitteln zum Beispiel auch gerne an Familien mit Kindern. Aber dann muss es der passende Hund sein.“ Und eben kein Hund, der in der Vergangheit schon einmal gebissen hat, schlimmstenfalls noch ein Listenhund. Doch nicht einmal das würde mancher Interessent akzeptieren – stattdessen hagelt es dann böse Mails oder eben bissige Kommentare auf Facebook.

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Auch Katzen sorgen immer wieder für Zoff bei der Vermittlung im Tierheim Witten: Denn viele Interessenten wollen aus Freigängern eine Wohnungskatze machen.
Auch Katzen sorgen immer wieder für Zoff bei der Vermittlung im Tierheim Witten: Denn viele Interessenten wollen aus Freigängern eine Wohnungskatze machen. © Stephanie Heske | Stephanie Heske

Auch bei der Vermittlung der Katzen gebe es ständig Ärger und Anfeindungen. Das Problem: Die meisten Samtpfoten im Tierheim sind Freigänger. Sie sind es gewohnt, Wohnung oder Haus verlassen zu können und sich draußen zu bewegen. Viele Interessenten wollen die Tiere jedoch als reine Wohnungskatzen halten.

„Aber das klappt nicht“, sagt Kirsten Simon. Die Tiere würden ihre neue Situation nicht akzeptieren, würden aggressiv und unsauber. Deshalb bleibt das Tierheim konsequent, vermittelt entsprechende Katzen nur mit Freigang. „Das Tierwohl ist für uns das Wichtigste“, betont Wiebke Blomberg. „Da müssen wir halt auch mal Kritik aushalten.“

761 Tiere vermittelt

Das Tierheim Witten/Wetter/Herdecke hat im vergangenen Jahr für insgesamt 761 Tiere ein neues Zuhause gefunden. Darunter waren 189 Hunde und 197 Katzen. Desweiteren wurden 285 Kleintiere und 90 Vögel vermittelt.

Für 2024 gibt es noch keine Statistik. Die Vermittlungszahlen seien aber über die Jahre hinweg – mit Ausnahme eines Corona-Hochs – immer konstant gewesen, sagt Wiebke Blomberg.

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