Witten. Am Freitagmittag kommt in Witten zwar die Sonne raus. Aber die Mienen vieler Kunden im öffentlichen Nahverkehr haben sich da längst verdüstert.
Wer am Freitag (1.3.) mit Bus oder Bahn in Witten weiterkommen will, ist gleich doppelt bestraft. Denn ausgerechnet auf den zweiten Tag des großen Verdi-Streiks im Nahverkehr fallen die Bauarbeiten im Wittener Hauptbahnhof. Es fährt kein Zug nach irgendwo.
Wegen der abgeschalteten Oberleitung geht an diesem Freitag so gut wie nichts im Bahnhof. Nur der Kaffee in der Bäckerei läuft so flüssig wie immer durch die Maschine. Um so voller ist es nebenan auf dem ZOB - trotz Busfahrer-Streik. Dort kommen alle zusammen, die gestrandeten Bahnreisenden und jene, die ungeachtet des dritten Warnstreiks im ÖPNV auf eine Verbindung hoffen, darunter auch einige Schüler, die offenbar kein Elterntaxi haben. Doch selbst die wenigen Busse, die noch fahren, sind teilweise deutlich verspätet.
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Silke wartet nun schon eine Stunde auf den SB 38 nach Hattingen. „Langsam wird mir kalt“, sagt die 55-Jährige genervt. Erst ist die auf der digitalen Infotafel angezeigte Fahrt um 11.26 Uhr ausgefallen, auch um 12.26 Uhr will kein Bus kommen. Dafür treffen immer wieder Busse mit der Leuchtschrift „Schienenersatzverkehr“ (SEV) oder „Notverkehr“ ein. Sie ersetzen die ausfallenden Züge nach Dortmund, Bochum, Hagen oder Wetter. Tipp für Reisende: Der SEV wird auch auf den Bahn-Apps angezeigt.
Die einzigen Busse, die trotz des Streiks unterwegs sind und nicht die Züge ersetzen, sind mal wieder der 592er nach Wetter und der SB 38 nach Hattingen beziehungsweise Ennepetal - wenn er denn kommt. Jedenfalls der um 13.26 Uhr ist pünktlich.
„Kein Bus, keine Bahn, das darf doch nicht wahr sein“, sagt Silke, die in Witten arbeitet und jetzt nach Hause nach Hattingen möchte. Das Verständnis für den diesmal zweitägigen Verdi-Streik - „es wird ja alles teurer“ - kommt ihr langsam abhanden. „Denken die eigentlich auch mal an die Berufstätigen, die kein Auto haben?“
Zu den leidgeprüften Pendlern gehören auch Yvonne (45) und Uwe (58), die mit dem Schienenersatzverkehr nach Wetter wollen. Yvonne hat wegen des Streiks nun schon zweimal bei Freunden in Witten übernachtet, um morgens um sieben pünktlich zur Arbeit zu kommen. „Die haben genug gestreikt“, sagt sie verärgert. „Es wird wohl nicht daran gedacht, dass man auch mal arbeiten muss.“ Ihr Begleiter müsste eigentlich sogar nach Herne. Er hat sich extra Urlaub genommen. „Soll ich etwa mit der Taxe fahren? Dafür geh ich doch nicht arbeiten“, sagt Uwe.
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Besser gelaunt ist Julius (22), ein großer junger Mann mit Rucksack auf dem Weg nach Hamburg. Er hofft, einen Zug in Hagen zu kriegen, muss nun aber den Ersatzbus nehmen, weil die „Regionalbahn gar nicht fährt“. Schuld sind die Bauarbeiten im Wittener Hbf. Seit Donnerstagnacht wird eine Weiche erneuert. Ab Sonntag früh (3.3.) sollen die ersten Zügen wieder fahren.
Im Wittener Hauptbahnhof sind die Bahnsteige 1-3 gesperrt
Weil die Bahnsteige 1-3 gesperrt sind, sollte der gesamte Zugverkehr eigentlich über Gleis 4 abgewickelt werden. Aber auch dort fallen an diesem Freitag die Bahnen aus. „Alles hängt von der Oberleitung ab. Das Gleis ist da, aber kein Strom“, sagt der leitende Bauüberwacher der DB Netze AG. Das Notfallmanagement der Bahn sei eingeschaltet.
Nun, spätestens ab Samstag (2.3.) beziehungsweise Sonntag (3.3.) dürfte alles besser werden. Dann ist der Verdi-Streik erst mal vorbei und Züge fahren vermutlich auch wieder. Die Bahnsteige sollen ab Sonntagmorgen wieder alle frei sein. Tipp: Immer vorher in der Bahn-App nachgucken. Oder in der des VRR.
In der Bahnhofsbäckerei herrscht an diesem Freitagmittag trotzdem Betrieb. Die Verkäuferin wünscht ein schönes Wochenende.