Witten. Im Ardey-Hotel in Witten arbeiten je zur Hälfte Menschen mit und ohne Behinderung. Das Konzept ist außergewöhnlich - und kommt extrem gut an.
Ihre linke Körperhälfte ist sichtbar gelähmt. Und doch deckt Katharina den Elzen flott und routiniert den Tisch ab. „Ich kann das kompensieren, ich hab da meine Tricks“, sagt die Servicemitarbeiterin, während die erstaunten Hotelgäste hilfsbereit die Teller stapeln. Die 25-Jährige zählt zum Stammpersonal des Ardey-Hotels, in dem über 50 Prozent der Mitarbeitenden eine Behinderung haben. Das Wittener Inklusionshotel ist ein Erfolgsmodell, wirtschaftlich wie sozial, und wird bald zehn Jahre alt.
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Das 56-Zimmer-Haus steht seit 2014 neben dem Marien-Hospital am Anfang der Ardeystraße, dort, wo sich einst das Kolpinghaus befand. Im April wurde es mit 24 Mitarbeitenden neu eröffnet, seitdem stiegen die Gästezahlen - bis Corona kam. „Die Schließungen, die Hygiene-Auflagen, das war alles Irrsinn“, erinnert sich Direktorin Silvia Urban, die vor zehn Jahren vom „Holiday Inn“ in Essen nach Witten wechselte. Erst 2023 zogen die Übernachtungszahlen an, 2024 nun gibt Hoffnung. Zur Fußball-EM wird „zu guter Rate“ eifrig gebucht. „Und es wird 2024 auch mehr geheiratet“, so Urban. Das Hotel dient als Übernachtungsquartier für Gäste, die zum Beispiel auf Schloss Steinhausen oder im „Extrafein“ im Papenholz feiern.
Positive Resonanz von den Gästen
Für die Mitarbeitenden sind diese guten Aussichten wichtig. Trotz Kurzarbeit kamen sie während des Lockdowns zur Arbeit, weil ihnen das soziale Miteinander so fehlte. „Das hier ist mein zweites Zuhause“, sagt Katharina den Elzen. Sie kam als 15-Jährige kurz nach der Hotel-Eröffnung für ein Schulpraktikum an die Ardeystraße. Ihre Mutter und auch Silvia Urban hätten sich dafür eingesetzt, „dass ich nicht nach Volmarstein in die Behindertenwerkstatt muss“. Letztlich hat es mehrere Anläufe gebraucht, bis sie ihren Ausbildungsplatz sicher hatte. Tische eindecken, Buffet aufbauen, servieren, abräumen oder heimlich die Kaffeetassen in den Kongressräumen wegräumen - das macht sie mit Begeisterung. „Ich kriege hier soviel positive Resonanz von den Gästen“, schwärmt sie.
Für die Gäste ist das Ardey zunächst ein ganz normales „Drei-Sterne-Plus“-Hotel. Sie buchen im Internet über die gängigen Portale nach Preis, Lage und Ausstattung. Tatsächlich, das weiß Rezeptionistin Slavica Wieners, gebe es einige Gäste, die merken gar nicht, dass sie sich in einem Integrationshotel befinden. Die inzwischen 35 Mitarbeitenden teilen sich auf in Teams, die sich ergänzen. Die Bürokauffrau selbst ist Rollstuhlfahrerin, von Geburt an gelähmt. Zum Ein- oder Auschecken spricht man mit ihr an einer abgesenkten Theke. „Mir gefällt es hier“, sagt die 52-Jährige. „Es ist sehr abwechslungsreich.“ Dass sie trotz ihres Handicaps arbeiten geht, findet sie selbstverständlich: „Ich möchte meinen beiden Kindern doch ein gutes Vorbild sein!“
Vielleicht sind es Geschichten wie diese, die zum Erfolg des Ardey-Hotels beigetragen haben. Der Träger, das Kolping Forum, bietet seinen Mitarbeitenden ganz flexible Arbeitsmodelle. Und andererseits wären viele der Angestellten in der freien Wirtschaft mitunter chancenlos. „Andere Betriebe sollten mehr Mut haben, Menschen mit Behinderungen einzustellen“, findet Direktorin Silvia Urban. „Würden sich Firmen mehr öffnen, wird das vielleicht normaler.“ Von so vielen Bewerbungen für Praktikums- oder Ausbildungsplätze, wie sie das Ardey-Hotel erhält, können andere in der Gastro- oder Hotelbranche nur träumen.
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Ein großes Standbein des Ardey-Hotels sind Tagungen. Betriebsratsschulungen werden dort veranstaltet, es buchen Sozialverbände wie die Caritas, Firmen wie Dr. Ausbüttel oder die Uni für Medizinkongresse. Auch alle Wittener Parteien tagen dort regelmäßig. „Bis auf die AfD, die nehmen wir nicht“, sagt Silvia Urban selbstbewusst. Warum? „Wir sind ein Inklusionsunternehmen, da können wir es nicht vertreten, dass eine Partei dieser politischen Richtung bei uns auftritt.“
Im Sommer kommen die Radtouristen
Wer kommt noch? Geschäftsreisende, etwa für Unternehmen wie Ardex oder ZF, und vor allem: Radtouristen. Reiseveranstalter buchen das Ardey-Hotel im Rahmen geführter Flusswandertouren. Und dann hat das Inklusionshotel noch eine besondere Klientel: reisende Menschen mit Behinderungen. So gibt es sieben Rollstuhl-Zimmer. Die Türen oder Bäder sind dort besonders breit, die Waschbecken tiefer. Eine Rollstuhlsportgruppe aus München hat ein solches seltenes Angebot gesucht - und gebucht.
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