Witten. Kukloch-Gründer Dieter Fender verabschiedet sich mit gemischten Gefühlen in den Ruhestand. Ein Gespräch über Glauben, Zweifel und ein Tollhaus.
Er war gerade ein paar Tage auf Usedom, wohin seine Tochter zum 30. Geburtstag eingeladen hatte. Montagabend hat er seine Frau mit einem leckeren Essen zum Hochzeitstag überrascht und an diesem Mittwoch wird er 66 Jahre alt. Keine Frage: Bei Dieter Fender gibt‘s im Moment viel zu feiern. Außerdem verabschiedet sich der langjährige Wittener Gemeindereferent, Kukloch-Macher, Musiker und Kabarettist jetzt in den Ruhestand. Auch das ein Grund, die Gläser klingen zu lassen?
Herr Fender, wie geht‘s Ihnen beim Gedanken an die Rente?
Dieter Fender: Das fühlt sich komisch an. Im Moment denke ich noch, es kommt nur eine längere Pause und dann muss ich wieder anfangen. Ich hätte noch so viele Pläne. Meine Frau muss mich immer daran erinnern, dass ich ja bald Rentner bin. Also: Jetzt ist einfach Schluss, Feierabend.
Auch kein Engagement mehr für die Kleinkunstbühne Kukloch in Stockum, die Sie ja mitbegründet haben?
Nein, ich werde da tatsächlich nichts mehr machen - außer mein Rat ist mal gefragt. Ich habe das 15 Jahre lang hauptberuflich begleitet. Jetzt mache ich einen Schnitt, weil ich sonst aus der Rolle des Leiters nicht mehr rauskomme. Das Team schafft das auch ohne mich. Das Booking der Musiker für dieses Jahr habe ich noch übernommen. Und als Gast werde ich natürlich hingehen. Das ist ja ein Aushängeschild für die Gemeinde geworden. Wir kriegen Anfragen von Musikern aus aller Welt, die hier auftreten wollen.
Was macht denn ein Gemeindereferent sonst noch?
Eigentlich ist er zur allgemeinen Unterstützung des Priesters da und somit auch an der Verkündigung des Glaubens beteiligt. Ich habe Taufen, die Kommunion und Firmungen mit vorbereitet. Auch caritative Projekte sind wichtig. Ich habe immer versucht, unter den Menschen zu sein und zu gucken, was die wollen. Gern erinnere ich mich zum Beispiel an das „Tollhaus“. Das war ein Ferienprojekt, das wir im Sommer im Pfarrheim angeboten haben, um Familien zu entlasten, bevor es die OGS gab. Wir haben da bis zu 150 Kinder betreut, haben Fahrten gemacht, waren in den Wäldern unterwegs.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden und nicht für den des Pfarrers?
Ich wollte immer Familie, aber auch was mit Kirche zu tun haben. Alles wäre vielleicht anders gekommen, wenn ich als Jugendlicher in einer Warsteiner Gemeinde nicht so intensive spirituelle Erfahrungen gemacht hätte. Da konnte ich mich im Rahmen der Kirche als Mensch entwickeln. Und dann war klar: Ich will einen Job in der Kirche.
Im Rückblick die richtige Entscheidung?
Ich konnte alle Talente und Fähigkeiten einbringen. Doch den ersten Schock erlebte ich gleich zu Beginn meines Studiums im Bistum Paderborn. Dort wurde kirchliches Fürstentum praktiziert. Man hatte das Gefühl, die wollten uns erst mal katholisch machen. Da habe ich nicht mehr viel wiedergefunden, von dem, was ich in meiner Gemeinde erlebt hatte. Der zweite Schock folgte bei meiner Praktikantenstelle in Wanne-Eickel. Als Sauerländer kam ich an eine Hauptschule mitten im Ruhrgebiet. Da war die Hölle los. Jede zweite Woche stand die Polizei vor der Tür.
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31 Jahre lang waren Sie in Witten im Einsatz. Der Pastorale Raum steht jetzt vor einem großen Umbruch. Missbrauchsfälle, Personalnot und sinkende Mitgliederzahlen zwingen auch in Witten zum Umdenken. Eine Chance für die Kirche?
Paderborn investiert viel Geld. Aber ich glaube nicht, dass es der richtige Weg ist. Die nehmen die Leute nicht mit. Mir fehlt, mal ehrlich hinzugucken und zu fragen: Was ist da los mit der Kirche? Durch die Missbrauchsfälle wurde so viel Schaden angerichtet. Das tut mir weh. Ich hätte niemals gedacht, dass sich der Verfall so schnell vollzieht. Die Firma Kirche mit ihren konfessionellen Krankenhäusern, Kitas und Altenheimen funktioniert gut. Die klassischen Gemeinden funktionieren nicht mehr.
Was müsste sich ändern?
Wir haben, was den Glauben angeht, ein Relevanzproblem. Die Eucharistiefeier etwa ist was für Spezialisten: Oben steht einer, der den Leuten unten was erklärt. Die Menschen dürfen nicht nur zu Empfängern gemacht werden, sondern sollen auch Sender sein, sollen untereinander Erfahrungen mit der Begegnung Gottes machen. Beten ist ein kommunikatives Geschehen, bei dem Gott nicht der Wunschautomat ist. Alle Ämter müssen für Frauen geöffnet werden - die diese dann aber auch anders ausfüllen sollten, als die Männer jetzt.
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Gehen Sie regelmäßig in die Kirche?
Nein, seit Corona ist der Faden gerissen. Ich habe keine Lust mehr auf Gottesdienste, in denen ich zugelabert werde. Jesus ist mir abhanden gekommen. Aber ich bin auf der Suche. Ich bete, meditiere, lese in der Bibel, unterhalte mich mit anderen über den Glauben. Wer mit mir eine Selbsthilfegruppe für Glaubenssuchende gründen möchte, kann sich gerne melden.
Was haben Sie im Ruhestand sonst so vor?
Ich mache weiter mein Kirchenkabarett und bin solo als Liedermacher unterwegs. Ich habe einfach Lust, auf der Bühne zu stehen. Ich beschäftige mich auch gern mit Pflanzen, fahre E-Bike und verreise gern. Fotografieren ist eine andere Leidenschaft. Nicht zuletzt werde ich im Sommer Opa. Langeweile hat bei mir keine Chance. Ich habe Lust, zu leben.
Ein inoffizieller Abschied
Dieter Fender wurde in Anröchte im Kreis Soest geboren. Als er fünf Jahre alt war, zog die Familie nach Warstein. Dort machte Fender sein Abi. Es folgte ein Soziales Jahr in einer Behinderteneinrichtung in Warburg. Danach studierte er Praktische Theologie und Religionspädagogik in Paderborn.
Fender arbeitete u.a. als Kurseelsorger in Bad Sassendorf, bevor er vor 31 Jahren nach Witten kam. Er war zunächst als Gemeindereferent für St. Joseph in Annen zuständig, später dann im Pastoralverbund Stockum/Rüdinghausen und schließlich für alle Gemeinden im neuen Pastoralen Raum. Er lebt auf dem Schnee, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Dieter Fender feiert seinen „inoffiziellen“ Abschied am Mittwoch, 7. Februar, ab 18 Uhr im Pfarrsaal von Maximilian Kolbe in Stockum. „Wer kommt, der kommt“, lädt er alle ein. Er macht dort selbst Musik, freut sich aber auch über den Auftritt des Duos „Rawsome Delights“. Der Männerkochclub der Gemeinde sorgt z.B. für Suppe.