Witten. Wegen Altersdiskriminierung hat eine frühere Altenpflegerin in Witten ihren Arbeitgeber verklagt. Der hatte sie zuvor schon zweimal abgemahnt.

Ein kurioser Fall hat das Arbeitsgericht Hagen jetzt beschäftigt: Eine Altenpflegerin aus Witten wollte offenbar den Unfall einer betreuten Bewohnerin vertuschen. Sie wurde erwischt, abgemahnt - und hat den Träger des Altenheims daraufhin wegen „Altersdiskriminierung“ verklagt.

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Die ungewöhnliche Geschichte beginnt am 18. März vergangenen Jahres auf der Station. Da verunglückt eine hochbetagte Seniorin beim Transport im Rollstuhl. Mit äußerlich nicht erkennbaren Verletzungen wird Frau R. ins Bett gehievt: von einer Altenpflegerin (64), die sogar ausgebildete Krankenschwester ist, und von einer jungen Auszubildenden. Der Unfall soll offenbar verheimlicht werden. Er wird nicht - wie vorgeschrieben - schriftlich dokumentiert. Selbst beim Schichtwechsel ist der Sturz kein Thema: Die Kollegen im Spätdienst erfahren nichts davon.

Verletzungen der Wittener Senioren lassen sich nicht verbergen

Doch die Verletzungen der älteren Bewohnerin lassen sich auf Dauer nicht verbergen. Sie hat sich bei dem Sturz einen Beinbruch zugezogen. Die zuständige, langjährige Altenpflegerin gerät nun in Bedrängnis. Zwei Tage später, am 20. März, trägt sie den bis dahin verschwiegenen Unfall nachträglich in das Dokumentationsprotokoll ein. Dabei begeht sie eine Urkundenfälschung und verwendet das Namenskürzel einer Kollegin. Auch das fällt jedoch auf.

Am 23. März wird sie deshalb in einem Personalgespräch mit der Leiterin zur Rede gestellt und für ihr Fehlverhalten zweimal abgemahnt. Anwesend ist auch der Geschäftsführer des Trägers. Die unter Druck geratene Altenpflegerin entschuldigt sich, sie habe „aus Stress“ den Rollstuhlunfall der Bewohnerin zunächst nicht gemeldet, dies aber zwei Tage später nachgeholt. Das Namenskürzel der Kollegin habe sie „versehentlich“ in die Dokumentation eingetragen.

Gesprächsverlauf wird unterschiedlich dargestellt

Der weitere Gesprächsverlauf wird von beiden Vorgesetzten übereinstimmend so dargestellt: Die 64-jährige Mitarbeiterin sei schließlich „höflich gebeten worden, sich ärztlich untersuchen zu lassen, wenn sie als Altenpflegerin nicht mehr belastbar sei und an ihrem Arbeitsplatz unkonzentriert wirke“. Die betroffene Altenpflegerin hat die Reaktion ihrer Chefs jedoch ganz anders in Erinnerung. Die Einrichtungsleiterin habe ihr „vorgeworfen, dass sie mit ihrer Arbeit überfordert sei und nur noch an ihre Rente denke - dann solle sie sich doch auch bis zur Rente krankschreiben lassen“.

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Die - strittige - Äußerung sei „eindeutig altersdiskriminierend“ und würde sie als ältere Mitarbeiterin in ihrer Würde herabsetzen, meint die 64-Jährige. Deshalb stehe ihr nach dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ eine Entschädigung zu, die sie jetzt vor dem Arbeitsgericht Hagen einklagen wollte. (Az. 5 Ca 895/23). Die Klägerin verlangt von ihrem ehemaligen Arbeitgeber als Wiedergutmachung zwei Monatsgehälter, genau 7308,34 Euro. Dieser Betrag sei für eine Altersdiskriminierung angemessen. Denn das Personalgespräch habe sie „mental so stark belastet, dass sie noch vier Monate krank war“. Ende Juli habe sie ihre Stelle nach 22 Jahren von sich aus gekündigt, sei Ende November dort ausgeschieden und inzwischen Rentnerin.

Ehemalige Altenpflegerin spitzt ihre Vorwürfe weiter zu

Im Gespräch mit dieser Zeitung spitzt die ehemalige Altenpflegerin ihre Vorwürfe weiter zu: „Die Auszubildende macht Mist und ich, die Ältere, bin das Bauernopfer. Die Alte geht bald in Rente? So etwas Herabsetzendes muss ich mir in meinem Alter doch nicht gefallen lassen!“ Der Anwalt des Heimträgers zeigt sich über die eingereichte Klage sehr verärgert: „Das ist ein völlig absurder Vorwurf. In der christlichen Stiftung wird niemand diskriminiert, dort arbeiten fast 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Selbst nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat es keine Altersdiskriminierung gegeben.“

So sah es auch das Arbeitsgericht. Die beanstandete Äußerung sei, selbst wenn sie so gefallen wäre wie behauptet, gar nicht diskriminierend. „Dass die Klägerin wahrscheinlich nur an ihre Rente denkt, ist nichts Verwerfliches“, so Richter Michael Seidel. „Ich denke auch ab und zu an meine Rente.“ Die Klägerin möge diesen Spruch nicht gut gefunden haben, aber eine rechtserhebliche Altersdiskriminierung erkenne die Kammer darin nicht. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung wurde als unbegründet abgewiesen.

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Die Altenpflegerin im Ruhestand will auch nach dem verlorenen Prozess nicht klein beigeben: „Ich gehe in Berufung vor das Landesarbeitsgericht. Dank meiner Rechtsschutzversicherung kostet mich das nichts.“