Witten. Ein falscher Polizist stand jetzt in Witten vor Gericht. Frech: Seine dreiste Bande meldete sich nach der erfolglosen Tat noch einmal beim Opfer.

Die Masche ist perfide und leider immer wieder erfolgreich: Durch einen Schockanruf sollte eine Seniorin aus Witten um ihr gesamtes Erspartes und um ihre Wertsachen gebracht werden. Über eine Stunde wurde sie von gerissenen Betrügern am Telefon bedrängt. Schließlich erschien sogar ein falscher Polizist an ihrer Haustür in Annen. Doch es kam anders als erwartet.

In den Amtsgerichtssaal wird ein Mann mit dunklem Bart geführt. Er ist in Handschellen gefesselt und wird von zwei Justizwachtmeistern bewacht. Die vergangenen 69 Tage hat der gebürtige Iraner, der 1991 nach Deutschland kam, in Bochum in Untersuchungshaft verbracht. Der 40-Jährige muss sich nun als Mitglied einer Bande verantworten, die sich darauf spezialisiert hat, arglose ältere Menschen hemmungslos auszunehmen. Gewerbsmäßiger Betrug lautet der Vorwurf, das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Felix Brelinger verhandelt den Fall.

Pfiffige Wittenerin ließ sich nicht reinlegen

Eigens aus Hamburg ist die Verteidigerin des Angeklagten angereist. Sie erklärt, ihr Mandant sei geständig, am 28. September als falscher Polizist an der Otto-Laue-Straße erschienen zu sein, um die erhoffte Beute abzuholen. Zu seinen Hintermännern, die ihn von der Türkei aus telefonisch von Bremen nach Düsseldorf und schließlich nach Witten lotsten, will er nichts sagen. Opfer sollte eine 67-Jährige werden. Doch bei der rüstigen und pfiffigen Wittenerin war der Ganove im wahrsten Sinne des Wortes an der falschen Adresse.

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Um 11.59 Uhr hatte bei der Frau das erste Mal das Telefon geschrillt. Am anderen Ende eine seriöse Männerstimme, die sich als „Kommissar Bergmann von der Kriminalpolizei“ vorstellte und eine Schreckensnachricht übermittelte: In ihrer Wohngegend sei gerade eine Verbrecherbande unterwegs und sie könnte in Kürze Opfer eines Überfalls werden. Deshalb solle sie zur Sicherheit ihr gesamtes Geld, ihren Schmuck und alle Wertgegenstände, die sie im Haus hat, zusammenpacken, in einen Beutel stecken und einem Kollegen übergeben. Der Polizeibeamte würde gleich vor ihrer Haustür erscheinen und alles „in Obhut nehmen“.

Echter Polizist wartete hinter einer Hecke auf den Täter

Was der Betrüger am Telefon nicht einkalkuliert hatte: Er hatte diesmal kein leutseliges Opfer in der Leitung, sondern eine gut informierte und aufgeklärte Seniorin, die den Betrugsversuch auf Anhieb durchschaute. Sie ging jedoch zum Schein auf die Forderungen ein und gab ihrem Mann ein heimliches Zeichen, die echte Polizei einzuschalten. Daraufhin erschienen mehrere Beamte, in zivil und von der Fahndung, umgehend vor Ort und umstellten unauffällig das Wohnhaus in Annen, das kurz darauf zum Tatort werden sollte. Ein Polizist aus Witten lauerte auf dem Nachbargrundstück hinter einer Hecke, ein anderer platzierte sich direkt hinter der Haustür des Ehepaares.

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Er berichtet im Zeugenstand: „Das Telefon war auf laut gestellt und ich konnte mithören, wie der Betrüger noch immer auf die Frau beharrlich einredete.“ Das erste Telefonat dauerte 54 Minuten. Um 12.53 erfolgte der zweite Anruf des Betrügers, der den Druck noch weiter erhöhen sollte. Jetzt wurde die ältere Dame plötzlich angewiesen, den weißen Jutebeutel mit dem Geld und den Wertgegenständen in einer der Mülltonnen zu deponieren, die vor ihrem Haus stehen. Die organisierte Tätergruppe wusste offensichtlich gut Bescheid.

Angeklagter wurde zu Boden gerungen

Um 13.12 Uhr erschien dann ein unbekannter Mann mit Basecap im Vorgarten, der die Deckel von drei Mülltonnen anhob. Es war der jetzige Angeklagte, der falsche Polizist, der Sekunden später von echten Polizisten zu Boden gerungen und abgeführt wird. Seitdem sitzt der 15-fach Vorbestrafte im Gefängnis und wird auch dort bleiben. Denn das Schöffengericht verhängte für den missglückten gewerblichen Betrugsversuch eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

Richter Brelinger: „Ein rücksichtloses Vorgehen. Ältere, gutgläubige und hilflose Menschen um ihr gesamtes Vermögen zu bringen, ihnen für den Rest ihres Lebens bleibende Ängste einzujagen. In den meisten Kulturen gilt der Respekt vor dem Alter noch zu den höchsten Werten. Das werden solche Taten von der Gesellschaft als besonders verwerflich angesehen und verachtet.“

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Nach Erkenntnissen der Bochumer Kripo kommen Schockanruf-Betrügereien überwiegend von Callcentern aus der Türkei. So wie auch in diesem Fall. Die Täter sind unglaublich dreist: Um 17.26 Uhr rief der angebliche „Kommissar Bergmann“ ein drittes Mal bei der pfiffigen 67-Jährigen in Annen an, von der man sich - vergeblich - eine dicke Beute erhofft hatte. Aus Wut darüber, dass sie kein Opfer wurde, hat sie der Betrüger noch beleidigt und beschimpft. Das Telefonat war vier Minuten lang.