„Das finden, was noch geht“: Tipps zum Alltag mit Parkinson
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Witten. Die Hände zittern, die Glieder sind steif: Viele Menschen auch in Witten sind an Parkinson erkrankt. Beim WAZ-Medizinforum gab es Ratschläge.
Anfangs dachte Hans-Peter Clasen, er sei tollpatschig. Wie sonst waren seine Stolperer oder Stürze zu erklären? Heute kennen der Rentner und seine Frau Monika die Diagnose: Parkinson. Sie teilen sie mit vielen Betroffenen, die am Mittwochabend das WAZ-Medizinforum im Ev. Krankenhaus Witten besuchten. Drei Fachvorträge zur „Schüttellähmung“ stießen auf großes Interesse.
Mit knapp 100 Personen war die Cafeteria des EvK ausgebucht. Im Publikum sitzen meist ältere Ehepaare. Der typisch schlurfende Gang ist allgegenwärtig. Manche Erkrankte, wie etwa Hans-Peter Clasen, sind schon auf den Rollator angewiesen.
Parkinson kann man nicht heilen
Die Hände zittern, die Glieder sind steif - etwa 300.000 Menschen in Deutschland sind an Parkinson erkrankt. Die Ursache liegt im Gehirn: Hier sterben langsam, aber unaufhörlich Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Oberarzt Dr. David Minwegen zeigt auf: Je älter, umso häufiger sind Menschen von Parkinson betroffen: Drei Prozent aller über 80-Jährigen sind es mittlerweile.
Was löst die Erkrankung aus? Das interessiert viele im Publikum. Doch so weit sei die Forschung noch nicht, sagt David Minwegen. Zusammenhänge mit Pestiziden oder Lösungsmitteln als Ursache würden gerade untersucht. Auch der Fall Muhammad Ali ist vielen bekannt. Schädel-Hirn-Traumata, wie sie der Profiboxer oder viele Fußballer durch Kopfbälle erfahren, könnten etwas mit Parkinson zu tun haben. Die häufigste, sogenannte idiopathische Form der Parkinson-Erkrankung sei nicht vererbbar.
Alle drei EvK-Mediziner betonen: Parkinson kann man nicht heilen. Aber man kann Beschwerden lindern und einen Weg finden, mit der Erkrankung zu leben. Aber wie kann man für Akzeptanz sorgen, lautet eine Frage aus dem Publikum. „Es braucht eine gute Aufklärung und realistische Ziele“, antwortet Minwegen. Alle Medikamente – am häufigsten wird L-Dopa verabreicht – hätten Nebenwirkungen, die teils unangenehm seien. Das können auch psychoseartige Symptome sein, die zulasten der Angehörigen wirken. „Oft leiden die Angehörigen viel mehr als die Betroffenen.“
Betroffene: „Ich will doch keine Nervensäge sein“
„Wir brauchen mehr Mut, dass die Krankheit nicht unser Leben diktiert. Man muss das finden, was noch geht. Ich will doch keine Nervensäge sein“, sagt eine ältere Dame – und erntet Applaus. Wie der Alltag mit Parkinson aussehen kann, zeigt Oberärztin Anja Ranft auf. Ihr Credo: Wer rastet, der rostet! „Es verlangsamt den Prozess, wenn Sie in Bewegung bleiben.“ Hinausgehen, am Leben teilhaben und durch diese Eindrücke auch das Gehirn auf Trab halten – das sei das Richtige. Sie empfiehlt einen Ausdauersport wie Gehen, Radfahren oder Tanzen – plus ein tägliches kleines Krafttraining, das einem am besten ein Physiotherapeut zusammenstellt.
Die Steifigkeit betrifft alle Muskelgruppen des Körpers. Darum dauert das Essen länger und eben auch alles andere. Was empfiehlt Anja Ranft bei Verstopfung? Ein Verdauungsspaziergang, ein Glas lauwarmes Wasser vor dem Essen, überhaupt, viel Trinken! Es gibt sogar Kochtipps: Gemüse dämpfen oder einen Schuss Öl ins Essen. Man solle ruhig reichhaltig kochen, also mit Sahne an der Soße. Viele im Publikum kennen auch das Räuspern und häufiges Verschlucken. Diese Schluckstörungen könne man mit Logopädie wieder „wegtrainieren“, rät die Ärztin.
Aber natürlich hemmt Parkinson die Lebensqualität. Autofahren – das ist ein ganz heikles Thema und als Parkinson-Patient quasi unmöglich. Als Neurologin Dr. Sylke Düllberg-Boden davon spricht, nicken viele im Publikum. „Aber Sie sind nicht allein. Sie können Dinge miteinander bewältigen“, rät sie den vielen Ehepaaren. Monika und Hans-Peter Clasen setzen diese Maxime regelmäßig in die Tat um. Seit das gemeinsame Auto abgeschafft wurde, fahren beide Bus und Bahn. Sie verreisen sogar zusammen. „Wir machen das und es klappt“, sagt Monika Clasen. „Es gibt immer nette Leute, die uns mit den Koffern oder dem Rollator helfen.“ Allein in diesem Jahr waren sie schon mit dem Reisebus an der Mosel und mit dem Zug in Italien. „Das haben wir uns einfach zur Goldenen Hochzeit gegönnt.“
Gutbesuchtes WAZ-Medizinforum im Evangelischen KH Witten
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