Witten/Bochum. Über Kryptohandys soll ein Wittener kiloschwere Drogendeals abgewickelt haben. Vor Gericht geht es auch um Eierkartons und Bierflaschen.
Sein eigener Deckname soll „Ladyfuel“ gewesen sein – seine Lieferanten hießen „Mixedfarmer“ und „Majorlynx“: Ein 32-jähriger Wittener muss sich seit Mittwoch (27. September) vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Es geht um kiloschwere Geheimdeals mit Amphetaminöl, Kokain, Ketamin, Chrystal Meth und Ecstasy – laut Anklage allesamt abgewickelt über vermeintlich unauslesbare Messenger-Dienste auf Kryptohandys.
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Die Anklage, die zum Prozessauftakt vor der 1. Strafkammer verlesen wurde, ist ein echtes Schwergewicht: Aufgelistet sind Rauschgiftgeschäfte mit einem Gesamtvolumen von fast 60 Kilogramm. Die Details entstammen aus Chat-Nachrichten, ausgetauscht über die Netzwerke „Encrochat“, „Anom“ und „Sky ECC“. Vor allem in der organisierten Drogenszene waren diese Messenger-Dienste und die dazugehörigen Krytohandys bis zum Jahr 2020 beliebte Kommunikationsmittel – denn die verwendete Codierung galt als „unknackbar“. Im Sommer 2020 landeten europäische Ermittler dann jedoch einen K.o.-Schlag gegen diese Dienste: Massenhaft bis dahin geheime Dealer-Chats wurden decodiert.
Wittener soll literweise Amphetaminöl bestellt haben
Völlig unverblümt soll laut Anklage auch der jetzt angeklagte Wittener über solche Netzwerke mit Drogengroßhändlern gechattet, dabei regelmäßig Bestellungen abgesetzt, aber auch eigene Verkäufe abgewickelt haben. Im April und Mai 2020 soll er bei einem Händler mit dem Namen „Mixedfarmer“ jeweils fünf Liter Amphetaminöl bestellt und von einem Kurierfahrer nach Köln liefern lassen haben. Aus dem Öl habe der 32-Jährige, so die Anklage, später 15 Kilogramm konsumfähiges Amphetamin hergestellt und die Drogen anschließend gewinnbringend weiterverkauft. Das Drogenöl soll beide Male in braune Flaschen abgefüllt und getarnt als Bier in einer Kiste der Marke Oettinger Export übergeben worden sein.
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Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem Wittener vor, im Mai 2020 darüber hinaus fünf Kilo Amphetamin, Ketamin (ein Narkosemittel) sowie 5000 Ecstasy-Tabletten an einen Chatpartner per Post verkauft zu haben. Die Drogen und die Pillen mit der Prägung „Rolls Royce“ sollen gestückelt in mehreren Expresspaketen verschickt worden sein. Die Bezahlung des Kaufpreises von fast 8000 Euro erfolgte laut Anklage ebenfalls durch ein Expresspaket an eine Anschrift in Ennepetal. Das Geld soll in dem Paket in einem Eierkarton versteckt gewesen sein.
Anklage: Ein Kilo Kokain kam per Kurier nach Witten
Nach diesen immer gleichen Strickmustern soll der Wittener 2021 zahlreiche weitere Deals abgewickelt und sich zunehmend auch für Kokain aus Kolumbien interessiert haben. Laut Anklage habe er sich etwa im April 2021 ein Kilo Kokain durch einen Kurier nach Witten liefern lassen, später auch Kokain per Post an Chatpartner weiterverkauft.
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Zum Prozessauftakt vor der 1. Strafkammer kündigte der Verteidiger des Witteners, Yücel Arslan, ein umfassendes Geständnis an: „Der Angeklagte wird sich bedingungslos seiner Verantwortung stellen. Er weiß, dass er sich falsch verhalten hat.“ Der 32-Jährige sitzt seit dem 26. April in U-Haft. Dem vorbestraften Mann droht eine empfindliche Gefängnisstrafe. Richter Thorsten Fülber skizzierte die Beweislage angesichts der vorliegenden Chats als erdrückend: „Am Ende kann einiges an Ihnen hängenbleiben.“
Für den Prozess sind noch vier Verhandlungstage bis zum 24. November anberaumt.