Witten. Beim WAZ-Medizinforum im Marien-Hospital Witten ging es diesmal um die Lunge. Eine Expertin erklärte dabei, wann der Gang zum Arzt wichtig wird.
Morgens nach dem Aufstehen müssen Sie erst einmal husten? Beim Spazierengehen haben Sie Luftnot? Dann sollten Sie das nicht mit den Worten „Ach, das kommt doch bloß vom Rauchen“ abtun, sondern lieber gleich zum Arzt gehen. Diesen Rat gab Dr. Monika Segelbacher, Leitende Oberärztin der Klinik für Innere Medizin im Marien-Hospital, den Besuchern des WAZ-Medizinforums mit auf den Weg. Denn hinter den Beschwerden könnte sich COPD verstecken, eine Krankheit, die unumkehrbare Schäden in der Lunge verursacht.
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„Wenn die Luft wegbleibt“: Unter diesem Titel informierten zwei Ärztinnen und zwei Physiotherapeutinnen beim WAZ-Medizinforum am Mittwoch (30.8.) über Ursachen, Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten bei Lungenkrankheiten. Ein Thema, das offenbar viele Wittenerinnen und Wittener beschäftigt: Rund 90 Zuhörer folgten nicht nur den Vorträgen im Medienzentrum des Wittener Krankenhauses mit Interesse, sondern stellten anschließend auch zahlreiche Fragen.
Wittener Ärztin nennt alarmierende Zahlen
Welche Rolle spielt eigentlich die Umwelt bei den Lungenerkrankungen? Dieser Frage ging Dr. Sandra Eggelnpöhler, Oberärztin in der Klinik für Innere Medizin, auf den Grund – und nannte erschreckende Zahlen. Allein in Deutschland habe es im Jahr 2019 fast 54.000 Tote durch Feinstaubbelastung gegeben, weitere 6000 durch Stickstoffdioxid, das bei Verbrennungsprozessen entsteht, und 3350 durch Ozon, das Treibhausgas. Mehr als die Hälfte dieser Todesfälle hätten vermieden werden können, wenn die Schadstoff-Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation von 2021 eingehalten worden wären, führte die Ärztin aus.
Die Luftverschmutzung sei vor allem für Asthmatiker ein großes Problem, so die Medizinerin. Bis zu ein Drittel aller Asthma-Notfälle würden dadurch ausgelöst. Allein der Feinstaub sei für 33 Prozent der Erkrankungen verantwortlich. Dazu hätten Asthmatiker ein dreifach erhöhtes Risiko, durch Feinstaub und Ozon an COPD zu erkranken.
Medizinerin hält E-Autos nicht für die Lösung des Problems
Was also tun? Vor allem müssten die Richtwerte eingehalten, der Verkehr deutlich reduziert werden, sagte Eggelnpöhler. Einfach auf E-Autos zu setzen, sei nicht die Lösung. Denn durch ihr deutlich höheres Gewicht im Vergleich zum Verbrenner hätten sie auch deutlich mehr Reifenabrieb – und trügen damit ebenfalls zur Feinstaubbelastung bei.
Doch bei aller Klage über zu viel Verkehr, machte die Ärztin auch deutlich: Die Belastung der Lunge ist durch Rauchen um ein Mehrfaches höher als durch Autos. Nikotin sollte daher unbedingt vermieden werden.
Es gibt noch weitere Faktoren, die die Feinstaubbelastung zu Hause erhöhen. Kamine, Kerzen, Grillen auf Holzkohle oder etwa Werken mit Holz und Stein im Bastelkeller tragen ebenfalls dazu bei. Tipp der Oberärztin: Zweimal täglich lüften, putzen mit feuchten Tüchern und ein Staubsauger mit Zusatzfilter können helfen, die Staubbelastung zu verringern.
Als würde man durch einen Strohhalm atmen
Rauchen, Luftverschmutzung, Schadstoffbelastung in geschlossenen Räumen: All dieses sind jedoch nicht nur Risikofaktoren für Asthma, sondern auch für COPD, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, bei der die Atemwege ständig entzündet und verengt sind. „Es ist, als würden Sie durch einen Strohhalm atmen“, erklärte Dr. Segelbacher die Symptome in ihrem anschließenden Vortrag zu diesem Thema.
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Mehr als zehn Prozent der Menschen über 65 Jahren leiden an der Krankheit, die zu einer unumkehrbaren Zerstörung der Lungenbläschen führt. Atemnot bei Belastung, Husten mit und ohne Auswurf sind die Anzeichen dafür. „Das Hauptproblem ist aber, dass die Beschwerden nicht ernstgenommen werden“, so Segelbacher. Dabei könne die Krankheit bei rechtzeitiger Diagnose zumindest aufgehalten werden.
Patient berichtet von seiner Leidensgeschichte
Das ist wichtig, denn die COPD kommt häufig nicht allein. Typische Begleiterscheinungen seien Depressionen, Herzerkrankungen, Durchblutungsstörungen und dazu eine deutliche Abnahme der Lebensqualität. Auch die Krankheit selbst hat schwerwiegende Folgen. In schweren Fällen könne es auch zu einem Lungenkollaps kommen – eine Komplikation, die Ulrich Anstötz gleich zweimal durchleben musste. Nun ist er wieder hergestellt und berichtete den Zuhörern im Medizinforum anschaulich von seiner Leidensgeschichte.
Medikamente von Inhalationsspray über Cortison bis Antibiotika könnten helfen, die Krankheit in den Griff zu bekommen, Impfungen etwa gegen Grippe dafür sorgen, dass sie sich nicht verschlechtert. Wichtig seien auch die nichtmedikamentösen Behandlungsstrategien wie Atemschulung, Selbsthilfegruppen, Ernährungsberatung oder psychologische Unterstützung. Auch eine Reha-Maßnahme könne oft hilfreich sein, so Segelbacher. Vor allem aber empfahl die Lungenfachärztin allen Betroffenen eins: „Bleiben Sie aktiv. Dann ist die Abwärtsspirale nicht so groß – und Sie kommen auch mit COPD wieder auf die Beine.“
Stichwort Atemschulung: Damit konnten die Besucherinnen und Besucher beim Medizinforum gleich beginnen. Die Physiotherapeutinnen Karen Rüttershoff und Laura Bem zeigten, was man machen kann, damit die Lunge mobilisiert wird. Nach den Atemübungen dürfte also hoffentlich niemandem beim Heimweg die Puste weggeblieben sein.
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