Witten. Andrea Kunert beackert einen Schrebergarten in Witten. Nicht alle finden ihn schön. Doch sie beteiligt sich damit sogar an einem NRW-Wettbewerb.

Ihre Parzelle liegt im hintersten Winkel des Wittener Kleingartenvereins. Auf der 400 Quadratmeter großen Scholle am Tannenweg in Heven wächst alles, was das Herz von Schmetterlingen und Bienen begehrt. Und es wächst ordentlich. Jedoch nicht im Sinne von akkurat. Andrea Kunert schrebert anders als die meisten. Und möchte damit beim Landeswettbewerb „Schönster Garten NRW“ gewinnen – zumindest aber ein Zeichen setzen.

Eidechsen, Ringelnattern, Igel sowie alle heimischen Insekten würden ihre Stimme sofort für das Fleckchen Erde der 51-Jährigen abgeben. Jedes Tier findet hier einen passenden Platz. Unterm 38 Jahre alten, gewaltig wuchernden Pampasgras ebenso wie unter extra angelegten Steinhügeln oder Haufen mit Totholz. Es gibt Blumen, Kräuter und Gemüse in Hülle und Fülle. „Ich mag es verwunschen: Wenn man um die Ecke biegt und einen etwas Neues erwartet“, sagt Andrea Kunert, die im beruflichen Leben die OGS der Pestalozzischule leitet.

Von Brennnesseln bis Wein: Im Garten der Wittenerin wächst fast alles

Alles so schön grün hier: Bei gutem Wetter ist Andrea Kunert mindestens jeden zweiten Tag in ihrem sehr naturnahen Garten. „Für Laien sieht das wild und unstrukturiert aus“, weiß sie. Zu tun gibt es trotzdem genug.
Alles so schön grün hier: Bei gutem Wetter ist Andrea Kunert mindestens jeden zweiten Tag in ihrem sehr naturnahen Garten. „Für Laien sieht das wild und unstrukturiert aus“, weiß sie. Zu tun gibt es trotzdem genug. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Hohe Hecken und Büsche verdecken den Blick in ihr Reich. Ihre Wiese ist kein Rasen, dafür aber immer grün. Andrea Kunert mäht die Fläche drei Mal im Jahr, nur die Wege und die Grenzen zu den Nachbarn sind etwas öfter dran. Stockrosen, Fenchel, Kapuzinerkresse, Topinambur und Borretsch wachsen nach Lust und Laune. An einem Bogen rankt wilder Wein. Eine Sonnenblume lugt um die Ecke. Die Feige fühlt sich hier wohl, auch der Salbei oder das Cola-Kraut, das wirklich ein bisschen riecht wie die Limo. „Es heißt eigentlich Eberraute und ist eine ganz alte Pflanze, die früher im Kloster kultiviert wurde“, weiß die Gärtnerin.

Im Gewächshaus stehen Töpfe mit Ochsenherztomaten. An der Laube hängen Häuschen für Vögel und Wespen. Seit zwei Jahren versucht Andrea Kunert, einen Tümpel anzulegen. Baumschnitt wird gehäckselt. Äste bewahrt sie als Rankhilfe auf. „Alles, was ich dem Garten entnehme, führe ich ihm wieder zu.“ Auch Brennnesseln seien wichtig, „obwohl die wehtun und richtig lästig sind“.

Wittenerin hat die Parzelle von ihrer Mutter übernommen

Ihr Denken erfordert Mut in einer Anlage wie dem KGV Ruhrblick, wo zwar laut Vorstand „kontrollierter Wildwuchs“ inzwischen durchaus seine Berechtigung hat. Doch Andrea Kunerts Garten ist da schon ein Extrem unter den 88 Parzellen. Das war nicht immer so.

Dieser Haufen aus Steinen und Ästen ist ein Paradies, nicht nur für Eidechsen.
Dieser Haufen aus Steinen und Ästen ist ein Paradies, nicht nur für Eidechsen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ihre Eltern haben den Garten 1984 ganz klassisch angelegt. Kunert ist praktisch dort aufgewachsen. Da schien es logisch, dass sie die Fläche übernehmen würde, als ihre Mutter 2012 starb. „Doch ich hätte mir das nie vorstellen können.“ Der Rat eines Freundes, in Ruhe darüber nachzudenken, brachte die Wende. „Ich habe mir ein Jahr gegeben, um das Gärtnern auszuprobieren.“

Sie fand Freude am Wachstum der Natur und blieb dabei. Hat sich während Corona sogar zur ehrenamtlichen Fachberaterin fortbilden lassen. Heißt: Sie ist nun Ansprechpartnerin für die anderen Pächter im Ruhrblick bei Fragen rund um Satzung und das Gärtnern.

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Ausgerechnet sie, könnte man meinen. „Ja, es ist schon eine Gratwanderung. Die Meinungen in der Anlage über meinen Garten gehen auseinander. Für Laien sieht das wild und unstrukturiert aus“, weiß sie. Auch ihre Mutter hätte anfangs die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, ist sich Andrea Kunert sicher. Und zieht ihr Ding dennoch durch.

Andrea Kunert legt Hand an: Manchmal kommt auch grobes Werkzeug wie diese Wiedehopfhacke zum Einsatz.
Andrea Kunert legt Hand an: Manchmal kommt auch grobes Werkzeug wie diese Wiedehopfhacke zum Einsatz. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Denn für sie sei der Garten ein wichtiger Lebensraum und es sei viel entspannter, mit der Natur zu arbeiten. „Ich kann für die Umwelt nichts Großes leisten, aber ich kann mit diesem Biotop klein bei mir anfangen.“ Darauf möchte sie letztlich mit ihrer Teilnahme am Wettbewerb aufmerksam machen.

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Alle paar Jahre findet übrigens eine offizielle Begehung der Parzellen statt. „Ich habe ja einen Vertrag unterschrieben mit Vorgaben.“ Neulich hat sie sich gefreut über den Kommentar eines Altpächters, der nach der Runde gesagt hat: „Das ist ja ein richtig schöner Garten.“ Gut sichtbar hängt auch ein Schildchen vom Naturschutzbund an der Laube. Darauf steht: „Schmetterlingsfreundlicher Garten“. Wie gesagt, die Stimmen dieser Tierchen hätte Andrea Kunert sicher.

Wer beim Wettbewerb für Andrea Kunerts Garten voten möchte, kann das noch bis zum 10. August tun über ihre Facebook-Seite oder auf der Seite des NRW-Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung unter: Einsendung #852.