Witten. Auf einem Campingplatz in Witten wohnen Menschen mit ungewöhnlichen Lebensentwürfen. Etwa ein Mann, der mit 55 Jahren seinen Alltag aufgab.
Lebe lieber ungewöhnlich: Es gibt Menschen, die entscheiden sich gegen gemauerte vier Wände und wohnen mobil. Auf dem Campingplatz neben dem Blue Beach in Witten kann man ganz solche Lebensentwürfe finden. Etwa mehrere Sinti-Familien, die aus allen Ecken Deutschlands gekommen sind, um an der Ruhr den Sommer zu verbringen. Oder Manni, der vor fünf Jahren entschied, anders zu leben – nachhaltig, ortsungebunden, frei.
Völlig entspannt, so wirkt Manni, der gerade zusammen mit seinem Hund Hugo auf der Treppe zu seinem Pick-up sitzt. Der 60-Jährige hat sich ganz bewusst für ein freies Leben entschieden. Vor fünf Jahren hat er sein Haus in der Dortmunder Innenstadt „für gutes Geld“, wie er sagt, verkauft. Vom Erlös kaufte er einen Trailer, das ist ein großer Wohnwagen, der auf einem Campingplatz bei Albufeira in Portugal steht. Den Winter über lebt er im sonnigen Süden. Im Sommerhalbjahr heißt sein Domizil „Blue Beach“.
Betreiber reglementiert wenig
Als klassischen Campingplatz kann man die Stellplatzwiese eigentlich nicht bezeichnen. Es gibt keine Parzellen, jeder stellt seinen Wohnwagen oder baut sein Zelt auf, wo er mag. „Wir möchten das bewusst wenig reglementieren“, sagt Geschäftsführer Dirk Heemann. Besucher können auf der Wiese Fußball spielen, ihre Hunde mitbringen, Kinder toben lassen. In der Mitte des Platzes stehen grobe Holzbänke und eine Feuerschale fürs Lagerfeuer. Auf der Wiese gibt es eine Wasserstelle, Sanitäranlagen in der Beachhalle. Wer möchte, bekommt auch Strom. Der Rest ist Leben in der Natur.
Dirk Heemann sieht in seinen Flip Flops aus, als wäre er selbst gerade aus dem Camper gekrabbelt. Der Campingplatz sei für die Beachhalle eigentlich nur Beiwerk, sagt der Kanusportler. Eins, das kaum beworben, aber immer besser angenommen wird. Heemann findet es spannend, wer sich dort für kurze Zeit niederlässt: „Das sind ganz ungewöhnliche Lebensentwürfe.“
Gruppe ist dankbar für Platzangebot
Gerade abgereist ist zum Beispiel ein Pärchen, das durch Deutschland wandert. Zwei junge Männer hatten dort ein Mercedes-Wohnmobil stehen, das sie als rollendes Büro nutzten, weil sie eben deutschlandweit Aufträge annahmen. Seit einigen Tagen macht dort eine ganze Gruppe Urlaub: Sieben große Wohnwagen sind mitsamt Vorzelten und Outdoorküchen aufgebaut. Auf den Tischen stehen Kunstblumen in Vasen, die Wäsche hängt akkurat auf den Wäscheständern, gerade wird gemeinsam gekocht.
„Wir sind mehrere Familie aus ganz Deutschland, die hier zusammen Urlaub machen“, verrät Franz Engelbert, der gerade im Klappstuhl sitzt. Er kommt aus Stade, andere aus Göttingen, Bremerhaven, Detmold. Nach einem Tipp sind sie auf den Wittener Stellplatz gekommen. „Es ist nicht leicht, einen Platz zu finden, wo wir mit so vielen großen Wohnwagen anrücken können“, sagt Rani Winter. Ein anderes Problem: Sie seien Sinti und es gebe auf klassischen Campingplätzen Vorurteile. „Nicht am Telefon, sondern wenn sie uns sehen.“
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Am Blue Beach ist das egal. Die Familien waren gemeinsam auf dem Flohmarkt am Stausee, außerdem haben sie sich einen Angelschein besorgt und sie würden gemeinsam beten. In einigen Tagen möchte der Trupp weiterreisen, „am liebsten nach Süddeutschland“, verrät Mona Krause. Noch aber hätten sie gar keinen Platz gefunden, auf dem sie sich so frei tummeln können wie hier in Witten.
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Das ordentliche Wohnwagendorf der Sinti-Familien wirkt fast schon spießig neben dem Abenteurer-Pickup von Manni. Auf dem Auto gibt es eine Wohnkabine, dessen Dach Manni mit Solarpanels gedeckt hat. So produziert er seinen Strom zum Kochen, für den Fernseher oder den großen Kühlschrank. Er lädt so auch sein E-Bike und den kleinen E-Smart, mit dem er kleine Touren, etwa zum Einkaufen, unternimmt. Diese nachhaltige Lebensweise „ist mir sehr wichtig“, sagt der Designer. In seinem Leben gab es zwei Schlüsselerlebnisse, woraufhin er mit 55 Jahren alles verkaufte und aufhörte, zu arbeiten: „Erst hatte ich einen schweren Unfall, ich wurde von einem Auto angefahren“, erzählt er. „Und ein Jahr später ist ein guter Freund von mir verstorben. Da habe ich beschlossen, mein bisheriges Leben aufzugeben.“
Bereut habe er diesen Schritt „nicht eine Sekunde“. „Ich habe nicht nur mehr Freiheit, ich brauche auch nicht viel zum Leben. Ich bin mir selbst genug und mit wenig total zufrieden.“ Sein schönes Leben an der Algarve unterbricht er gern für eine Zeit im Ruhrgebiet. „Ich finde die Ruhr wunderschön.“ Jeden Tag jogge er zusammen mit Hund Hugo zehn Kilometer, er treffe sich mit Freunden und Bekannten und es gebe eine Sache, die er nunmal in Portugal vermisse: Pommes und Currywurst.
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