Witten. Das Straßenbahn fahrende Huhn aus Witten hat ein Zuhause gefunden. Ihr außergewöhnlicher Charakter rettete die Legehenne sogar vor dem Schlachter.
Ein Huhn, das mit der Straßenbahn fährt – diese Nachricht sorgte am Dienstag (13.6.) für so manches Schmunzeln. Eine Henne aus einem der mobilen Hühnerställe in Witten-Heven hatte sich unbemerkt in die Linie 309 geschmuggelt und war bis Bochum-Langendreer mitgefahren. Mittlerweile lebt das reiselustige Tier bei einer Familie in Heven. „Hennifer“, wie die Straßenbahnfahrerin sie getauft hat, heißt jetzt Elfriede – und ihr eigensinniger Charakter hat sie vor dem Schlachter bewahrt.
Bei unserem Besuch merkt besonders der Fotograf schnell, dass er es hier mit einem ganz besonderen Huhn zu tun hat. Denn die braune Henne weicht ihm nicht von der Seite, so dass fast nur Nahaufnahmen möglich sind. Entfernt er sich, läuft das Tier sofort wieder zu ihm, um die Kamera zu inspizieren. „Sie ist wirklich sehr menschenbezogen“, sagt Silke Doering fast schon entschuldigend. Die 52-Jährige hat das Charaktertier bereits im April bei sich aufgenommen – denn Elfriedes große Fahrt hat sich bereits da zugetragen. Öffentlich gemacht hat die Bogestra sie aber erst jetzt.
Hühner-Halter aus Witten suchen für besondere Tiere ein Zuhause
Doering ist mit der Familie Ramperez befreundet, denen die beiden Hühnerställe auf Rädern an der Universitätsstraße gehören. Schon zuvor hat sie drei Tiere aus deren Ställen übernommen – solche, die in der Hackordnung ganz unten standen und denen es deshalb schlecht ging. Dass sie auch Elfriede aufnehmen sollte, war bereits geplant. Aber nicht, weil es der selbstbewussten Dame schlecht gegangen wäre.
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„Bei den besonderen Hühnern versuchen wir immer, sie abzugeben“, erklärt Ex-Besitzer Mario Ramperez (43). „Es gibt Hühner, die kommen ständig zu uns, wollen Aufmerksamkeit vom Menschen.“ Genau solche Exemplare versucht das Paar dann unterzubringen, anstatt sie wie die anderen Artgenossen schlachten zu lassen. Denn die Hühner leben bei den jungen Landwirten im Schnitt nur ein Jahr lang. Dann werden sie ausgetauscht, weil ihre Legeleistung nachlässt.
Als der Schlachter kam, war Elfriede weg
Die Familie Ramperez hat die wanderlustige Elfriede „ganz schön auf Trab gehalten“, wie Anna Ramperez (34) erzählt. Sie sei stets weiter weggelaufen als die restlichen Hühner, habe sich viel an der Bahn-Haltestelle aufgehalten. Und das Huhn hat scheinbar einen siebten Sinn. Genau an dem Tag, als die Hühnerschar für den Schlachter eingefangen wurde, war es verschwunden. Am nächsten Tag stieg die Henne in die Bahn und wollte offenbar ganz weit weg.
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Doch die „Flucht“ misslang bekanntermaßen, die Henne wurde von der Straßenbahnfahrerin zurück zum Freigehege in Heven gebracht. Am selben Tag wollte Silke Doering sie abends zu sich holen. Doch – Überraschung – Elfriede war schon wieder weg. „Nach einer Stunde kam sie dann aber am Hühnermobil an“, erinnert sich die Erzieherin.
Die ersten Wochen mit dem wanderlustigen Huhn waren eine „Katastrophe“
Die ersten Wochen seien dann „eine Katastrophe“ gewesen. „Sie war jeden Tag weg“, lacht Doering. Jeden Abend hätten ihr Mann und sie zwei Stunden das eigensinnige Huhn gesucht – und oft nicht gefunden. „Ich hatte schlaflose Nächte.“ Das sei witzig, aber auch nervenaufreibend gewesen. Morgens sei die Henne stets wieder anspaziert gekommen. Erst seit rund vier Wochen kehrt Elfriede jetzt jeden Abend freiwillig in den Stall zurück.
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In der ländlich anmutenden Nachbarschaft ist die neugierige Henne bestens bekannt. „Denn wenn es ihr langweilig wird, macht sie sich auf den Weg“, sagt die Tierfreundin, die insgesamt 25 Hühner in ihrem Stall und großem Auslauf beherbergt. Die Tür des Freigeheges steht offen, raus marschiert aber nur die eine. Elfriede ist jetzt regelmäßig zu Besuch bei Nachbarn auf der Terrasse, um dort Leckereien abzugreifen.
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Kuscheln auf dem Liegestuhl
Mit ihrer neuen Besitzerin kuschelt das Huhn gern auch mal auf dem Liegestuhl oder sitzt mit der Oma auf der Bank. Und jeden Morgen wartet Elfriede schon im Pferdestall darauf, Silke Doering bei ihrer Stallroutine zu begleiten. „Sie steht mir da quasi auf den Füßen.“ Auch die Reiselust ist ihr trotz des idyllischen Lebens nicht abhandengekommen.
Eines Tages saß sie beim Nachbarn auf dem Beifahrersitz, als der gerade sein Auto gepackt hatte – mitfahren durfte sie dann aber nicht. „Mehrere Freunde wollten mir schon reflektierende Warnwesten für sie schenken“, sagt Hühner-Freundin Silke Doering. Bislang habe sie abgelehnt. „Aber für den Winter müssen wir uns was einfallen lassen.“ Denn dass Elfriede künftig nicht mehr spazieren geht, ist wohl ausgeschlossen.
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