Witten. Preise steigen auf breiter Front. Wie aber verhält es sich mit den Mieten in Witten? Der neue Mietspiegel bietet überraschende Zahlen.

Auf breiter Front schnellen seit Wochen und Monaten die Preise in die Höhe. Wie verhält es sich aber mit den Mieten in Witten? Auskunft gibt der neue Mietspiegel.

Das Urteil des zuständigen Gutachters ist eindeutig und klingt auch ein wenig überraschend. Er spricht von einer „eher moderaten Steigerung“. In den vergangenen sechs Jahren sind die Kaltmieten um 10,7 Prozent angewachsen.

Lag der Quadratmeterpreis im Juni 2017 noch bei 5,50 Euro, waren es zum Stichtag für den neuen Mietspiegel im Oktober vergangenen Jahres 6,09 Euro. Zu der Einschätzung, es handele sich bei der Steigerungsrate um einen niedrigen Wert, kommt Gutachter Michael Neitzel insbesondere, weil er auf die jährliche Steigerung schaut. Die betrage im Durchschnitt 1,92 Prozent und liege damit noch unter zwei Prozent, wie der Experte jetzt im Sozialausschuss erläuterte.

Letzte eigenständige Datenerhebung liegt sechs Jahre zurück

Zum Mietpreisvergleich zieht er das Jahr 2017 deshalb heran, weil vor sechs Jahren letztmals eine so genannte Haupterhebung erfolgte. Das bedeutet: Die Stadt ruft Vermieter dazu auf, ihr Mietverträge von Mehrfamilienhäusern zuzusenden. Damals wertete die Stadt 2500 Verträge aus, jetzt waren es etwa 4800. Mit einer solchen Datengrundlage werden die Mieten „verlässlich abgebildet“, sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer. Denn es sind zehnmal mehr Wohnungen als es das Gesetz für einen „qualifizierten Mietspiegel“ vorschreibt.

Kritik vom Mieterverein

Der Mieterverein Witten kritisiert, dass große Wohnungsunternehmen durch ihre hohen Mieten den durchschnittlichen Mietpreis nach oben treiben würden.Gutachter Neitzel erklärte, dass man bei den Verträgen sehr genau geschaut habe, ob es für solche Bedenken Anhaltspunkte gebe. Diese seien sich allerdings nicht aufgetaucht. Es habe nur ganz wenige Mietverträge mit extrem hohen Preisen gegeben, die letztlich aber nicht ins Gewicht gefallen seien.Nachdem sich der Sozialausschuss mit dem Mietspiegel befasst hat, steht er auch bei der Ratssitzung am 19. Juni auf der Tagesordnung.Die Erstellung des Mietspiegels begleitet ein Arbeitskreis, dem Wohnungsunternehmen ebenso angehören wie der Eigentümerverband Haus & Grund als auch Vertreter der Stadt Witten.

Der letzte Mietspiegel ist noch gar nicht so alt, er stammt von 2020. Damals machte die Stadt von der Möglichkeit Gebrauch, die Mietanhebungen nach der Entwicklung allgemeiner Verbraucherpreise zu berechnen statt Tausende von Verträgen zu sichten.

Legen nun Mieter oder Vermieter die neue und bisherige Fassung nebeneinander, werden sie auf einen schwerwiegenden und mitunter auch irritierenden Unterschied stoßen: Die Altersklassen, in denen Wohngebäude für eine einheitliche Mietspanne zusammengefasst sind, weichen deutlich voneinander ab. Beispiel: Häuser aus den Jahren 1970 bis 1979 bildeten bislang im Mietspiegel eine Einheit, die Preise pro Quadratmeter lagen zwischen 4,30 und 5,56 Euro (Mittelwert: 5,01 Euro).

Jetzt findet man Gebäude aus den 70er Jahren in der Gruppe „1965 bis 1979“ wieder. Die Mietzahlungen können hier nun zwischen 4,87 und 6,40 Euro liegen und die Werte gelten eben auch für Bauten aus der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Für das Jahrzehnt gab es bislang eine eigene Kategorie mit einer Spanne von 5,54 bis 7,23 Euro (Mittel: 4,86 Euro).

Mit der neuen Einteilung werde man am besten den durch das Baujahr bedingten Unterschieden bei den Mieten gerecht, erklärt Stadtsprecher Schäfer die neuen Kriterien.

Standard der Wohnung ist nach wie vor maßgeblich für den Mietpreis

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Gutachter Michael Neitzel stellte im Wittener Sozialausschuss den neuen Mietspiegel vor.
Gutachter Michael Neitzel stellte im Wittener Sozialausschuss den neuen Mietspiegel vor. © Funke Foto Services | Martin Möller

Ob nun die Miete eher am oberen oder am unteren Rand der Spanne liegt, hängt entscheidend vom Standard und der Lage der Wohnung ab. Der Mietspiegel beschreibt im Einzelnen, was zu einer Grundausstattung gehört, neben Räumen wie Bad, Schlaf- und Wohnzimmer zählt er unter anderem eine Isolierverglasung der Fenster dazu.

Zuschläge auf die Miete sind dann bei Extras erlaubt, die ebenfalls genau benannt sind. Beispielsweise kann eine Terrasse mit zusätzlich 31 Cent pro Quadratmeter berechnet werden oder das Echtholzparkett mit 23 Cent pro Quadratmeter. Andersherum sind aber auch Abzüge möglich. Wird das Wasser noch über einen Boiler erhitzt, kann das ein Minus von 11 Cent bewirken.

Wenn nun ein Vermieter den neuen Mietspiegel zum Anlass nehmen sollte, die Preise in seinem Haus anheben zu wollen, gibt es zweierlei bedenken. Zum einen sollte der Besitzer genau prüfen, ob das Zahlenwerk einen solchen Schritt überhaupt hergibt. Zum anderen gilt es für ihn, eine rechtliche Vorgabe einzuhalten: Eine Miete darf innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 Prozent steigen.

Um die Mietwerte von Witten ein wenig einzuordnen, zog Gutachter Michael Neitzel Vergleiche zu zwei benachbarten großen Städten heran. In Dortmund liegen die durchschnittlichen Preise mit 6,61 Euro schon deutlich höher, erst recht in Essen mit 6,98 Euro.

Die Ausschussvorsitzende Lilo Dannert (Grüne) hakte angesichts solcher Unterschiede noch mal eigens nach. Sie wollte wissen, ob es stimmen könne, dass sich Investoren mit dem Wohnungsbau in Witten zurückhalten, weil nur recht geringe Mietpreise möglich sind. Der Aspekt könne natürlich dazu beitragen, so Neitzel. Der Mietspiegel selbst beschreibe letztlich nichts anderes als die örtlichen Gegebenheiten.

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