Witten. Erika Kioscha gibt seit 51 Jahren – oder 102 Semestern – Nähkurse an der VHS Witten/Wetter/Herdecke. Sie hat auch noch eine andere Leidenschaft.
Man weiß gar nicht, was einen an Erika Kioscha einen mehr erstaunt. Etwa das: Seit 102 (!) Semestern gibt sie Nähkurse an der VHS Witten/Wetter/Herdecke. In diesen 51 Jahren musste nur ein Kurs ausfallen, da war sie krank. Oder das: Mit ihren 85 Jahren arbeitet die Herdeckerin als Malerin und konzipiert gerade wieder eine Ausstellung. Ihre großformatigen Acrylgemälde zeigt sie ab Sonntag, 7. Mai, im Foyer des VHS-Seminarzentrums.
So viele Bilder hat Erika Kioscha im Auto mit zur Volkshochschule gebracht, dass die beiden VHS-Mitarbeiter, die die Werke aufhängen soll, gar nicht wissen, wohin mit ihnen. Zumal viele Exponate der aktuellen Ausstellung „Dynamische Geometrie“ als Dip- oder Triptychon daherkommen. Das heißt, ein Kunstwerk besteht aus mehreren Leinwänden. „Erstens kann man die Bilder so leichter transportieren. Und zweitens finde ich es reizvoll, weil das Motiv weiterfließt“, begründet die Malerin ihr Konzept.
Bilder schimmern in transparenten Tönen
In ihren Arbeiten steckt handwerkliches Können. Konzipiert nach den Regeln des goldenen Schnitts, mit Fluchtpunkt und Perspektive, damit der Betrachter in eine räumliche Tiefe gezogen wird. Viele Farbschichten liegen aufeinander. So schimmern die Bilder in transparenten Tönen, mit viel Blau, Grün oder Bordeauxrot.
„Ich nutze immer nur fünf Grundfarben, die ich selbst mische“, erklärt Erika Kioscha. Und erzählt, dass sie viele Wochen für ein Bild brauche. „Ich male im Wohnzimmer, denn dort habe ich das beste Licht. Immer wieder stelle ich das Bild in die Bücherwand, bis ich weiß: Das fehlt noch! Was das Malen angeht, bin ich nicht die Fleißigste.“
Seit 1984 hat Erika Kioscha verschiedene Mal- und Zeichenschulen besucht. Inzwischen verkauft sie ihre kubistisch anmutenden Werke zu guten Preisen, zwischen 1500 und 3200 Euro. Ihr künstlerisches Können entwickelte sie bereits als junges Mädchen in der Textilschule Wuppertal. Modezeichnungen waren nämlich Teil ihrer Ausbildung, erst zur Schneiderin, dann zur Direktrice. Das ist ein Beruf aus der Modeindustrie: Direktricen wählen Materialien und skizzieren Schnitte, sie bringen eine Kollektion zur Produktion.
1972 mit Schneiderkursen angefangen
Nach der Berufsschule arbeitete die gebürtige Wetteranerin in den Werkstätten Volmarstein in der Industrienäherei. Nach Hochzeit und der Geburt ihrer beiden Töchter hörte sie damit auf. Ihren Beruf ausüben, neben der Familie? „Damals hat man ganz anders gedacht“, sagt sie mit Bedauern. Stattdessen fing sie 1972 an, Schneiderkurse an der VHS zu geben. Bis heute, seit mehr als einem halben Jahrhundert, bringt sie Menschen aus Witten, Wetter oder Herdecke das Nähen bei. „Am Anfang näht jeder einen Tellerrock oder eine einfache Hose, nach eigenen Maßen. Der Rest ergibt sich von ganz allein.“
85-Jährige trägt meist Selbstgemachtes
In 50 Jahren ist das Interesse an der Hobbyschneiderei zurückgegangen. Früher habe es „ein ganzes Geschwader“ an Näh-Dozentinnen gegeben. „Aber für meine Kurse blieb die Nachfrage groß. Ich habe bis heute Spaß an den Kursen“, sagt Erika Kioscha. Können ihre beiden Töchter eigentlich nähen? „Naja, sie haben sich beide pflichtschuldig ein eigenes Kleid genäht“, sagt ihre Mutter verschmitzt. Sie selbst trägt übrigens meist Selbstgemachtes. Gerade erst hat sie sich Leinenstoff für eine Marlene-Hose gekauft. Und findet: „Die Qualität der gekauften Stoffe ist hochwertiger als die der Kleidung in den Geschäften.“
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Mit ihrer modischen Kleidung und der markanten schwarzen Brille sieht Erika Kioscha überhaupt nicht nach Seniorin aus. „Herumsitzen und langweilen kenne ich nicht“, erklärt sie ihren Lebensstil. „Mal male ich, mal nähe ich – und zwischendurch darf ich das Putzen nicht vergessen!“
Die Ausstellung „Dynamische Geometrie“ wird am Sonntag, 7. Mai, um 14 Uhr im VHS-Foyer eröffnet, Holzkampstraße 7. Die Werke sind dort bis zum 31. August zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen (8.30 bis 16 Uhr).