Witten. Vor 15 Jahren erfand Ferdinand Trindade die „ü100“-Partys für übergewichtige Menschen. Die Nachfrage wächst, besonders bei Frauen. Ein Interview.
Ihre Hymne heißt „Schüttel deinen Speck“. Der Hit von Peter Fox wird auf jeder „ü100“-Party gespielt, mit Sicherheit auch am Samstag (11.3.) in der Werkstadt in Witten. Dort findet zum dritten Mal ein Tanzvergnügen speziell für pfundige Menschen statt. Dessen Veranstalter Ferdinand Trindade (50) ist seit 15 Jahren mit dieser Idee erfolgreich. Ein Interview.
Ich wiege unter 100 Kilo. Dürfte ich trotzdem zur „ü100“-Party kommen?
Trindade: Na klar, es gibt ja am Eingang keine Waage. Wir sagen doch nicht: Oh, 98 Kilo – Schauen Sie, dort drüben ist ein chinesisches Restaurant, essen Sie sich bitte rund und kommen in zwei Stunden wieder. Nein, alle dürfen kommen.
Und wer kommt meistens?
Tatsächlich sind 70 bis 80 Prozent unserer Gäste übergewichtig. Die restlichen 20, 30 Prozent sind deren Freunde oder Bekannte. Die Altersspanne ist groß, zwischen 20 und 65 Jahre. Und zwei Drittel der Gäste sind Frauen.
Wie erklären Sie sich den Frauen-Überschuss?
Ich würde sagen, Männer sind weniger sensibel gegenüber ihrer eigenen Ästhetik. Sie sehen es etwas entspannter, wenn sie einen Bierbauch haben. Und seien wir ehrlich, kaum ein Mann wird wegen seines Körpergewichts provoziert, eher Frauen. Leider! Denn oftmals gibt es ja viele Gründe für Übergewicht: viele Schwangerschaften oder Krankheiten wie Lymphödeme oder der unwissentliche Umgang mit Nahrung.
Sie sind seit 30 Jahren Eventmanager. Wie sind Sie auf die Idee mit der ü100-Party gekommen?
Tja. Ich hatte aufgehört zu rauchen und danach hatte ich meine Schallgrenze erreicht. Von 72 Kilo auf 103. Ü100. Dann waren wir 2008 auf einer Party, mit Bekannten, die teils auch übergewichtig waren. Kaum waren wir auf der Tanzfläche, legte der DJ „Dicke“ von Marius Müller Westernhagen auf. „Dicke schwitzen wie die Schweine“, wissen Sie. Da war die Idee geboren.
Weil pfundige Menschen lieber unter sich bleiben?
Diese kleine Idee hat so viele Leute glücklich gemacht. Die sind doch alle megafit und tanzen vier, fünf Stunden durch. Es ist tatsächlich so, dass viele unserer Gäste über Jahre nicht in eine Disco gegangen sind, und aus der Isolation kamen. Und die Kundschaft ist ja da. Unsere Gesellschaft wird immer breiter. Besonders nach der Pandemie fällt das auf. Einige Menschen haben vor Corona 120, 130 Kilo gewogen und sind jetzt bei 180.
Ihre „ü100“-Partys haben Sie, zumindest vor Corona, in vielen deutschen Städten veranstaltet. Wie sind Sie auf die Werkstadt in Witten gekommen?
Mit gefiel der soziale Aspekt der Werkstadt. Da würde man nie eine abfällige Bemerkung hören. Ich hatte auch Locations angefragt, wo es hieß: ‘Ne Dickenparty machen wir nicht.
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Wie groß ist der Anteil der Wittener?
Es kommen zumeist Stammgäste. Wir haben allein fast 80.000 Newsletter-Empfänger, die wir über die Partys informieren. Die Szene ist gut vernetzt. Viele fahren für die Party viele hundert Kilometer, buchen sich ein Hotel und übernachten dann hier.
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Ist es nach der Corona-Pandemie schwieriger geworden, Gäste zu finden?
Es ist schwieriger, eine Location zu finden. Viele haben erst extrem unter den Lockdowns gelitten, jetzt ist es der Personalmangel. Wir veranstalten die „ü100“-Partys deswegen zurzeit nur noch im Ruhrgebiet.
Wiegen Sie denn 15 Jahre nach ihrer ersten ü100-Party selbst noch über 100?
Nein, schon lange nicht mehr. Ich hatte es so satt, vier verschiedene Anzuggrößen in meinem Schrank zu haben. Für 72 Kilo, 85 Kilo, 90 und über 100. Ich habe dann angefangen, bewusst zu essen. Statt Chips und Süßigkeiten gibt es abends Gemüsesticks mit Kräuterquark. Na ja. Und ich hab’ das Rauchen wieder angefangen.
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Ü100-Party am 11. März, ab 20 Uhr in der Werkstadt, Mannesmannstraße. Karten kosten im VVK 15,99 Euro und sind über www.ue100.de erhältlich.