Witten. Wie lässt sich die „gute Stube“ der Stadt aufwerten, sprich die City? Über Gestaltungshandbücher und Satzungen wurde jetzt in Witten diskutiert.

Wie lässt sich ein weiteres Abrutschen der Innenstadt verhindern? Der Kaufhof ist weg, Corona hat den Händlern zwei Jahre zugesetzt und den Online-Handel noch beflügelt. Ein attraktiverer Mix aus Geschäften, Gastronomie, Kultur, Wohnungen und anderen Dienstleistungen muss her, da sind sich alle einig. Und natürlich muss das Erscheinungsbild stimmen. Deshalb lässt die Stadt jetzt ihr „Gestaltungshandbuch“ mit Empfehlungen überarbeiten, ebenso den Entwurf für eine verbindliche Gestaltungssatzung. Die Hauseigentümer sind zumindest vereinzelt alles andere als begeistert, wie sich bei einer ersten Präsentation im Saalbau zeigte.

Von 300 eingeladenen Hausbesitzern aus Witten kamen maximal 40

300 Immobilienbesitzer waren eingeladen, aber maximal 40 gekommen. Sie warnten vor zu starken Einschränkungen, was die Gestaltung ihrer Häuser und der Werbeanlagen im Erdgeschoss betrifft. Leitplanken ja, aber bitte auch viel Freiheit, so der Tenor.

Die Eigentümerfamilie Hardes etwa befürchtet, „dass kein Filialist mehr nach Witten kommt“, wenn man die Grenzen zu eng steckt. „Schon heute hat Witten ein riesiges Problem mit Vermietbarkeit“, hieß es. „Und Robin Look fängt bestimmt nicht an, sein Orange auszutauschen, weil die Stadt Witten das will.“ Ein anderer Zuhörer warnte: „Was wir brauchen, sind neue Konzepte und kein Zugrundereglementieren.“

„Das Gestaltungshandbuch hat so viele Spielräume“

Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Werbefront: Die Buchhandlung Lehmkul nimmt mit seinem Schriftzug die Fassade aus den Fünfzigern auf.
Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Werbefront: Die Buchhandlung Lehmkul nimmt mit seinem Schriftzug die Fassade aus den Fünfzigern auf. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Stadtbaurat Stefan Rommelfanger und Joachim Sterl vom Planungsbüro Post Welters + Partner versuchten die Bedenken zu zerstreuen. „Das Gestaltungshandbuch hat so viele Spielräume“, sagten sie. Eine Öffnungsklausel werde Abweichungen ermöglichen. Und jeder Filialist verfüge über so unterschiedliche Werbemittel, dass er sich auf jede Stadt einstellen könne, ob Witten oder Heidelberg. Gleichzeitig betonte Rommelfanger: „Wir brauchen auch eine Satzung. Allein mit Empfehlungen kommen wir nicht weiter.“

Beim Thema Werbung wurden verschiedene Beispiele präsentiert. Als vorbildlich gelten etwa Schaufenster wie das von Optiker Spengler an der Stadtgalerie – modern, nicht überladen – oder die Buchhandlung Lehmkul, die mit ihrem geschwungenen Schriftzug die Hausfassade aus den Fünfzigern aufnimmt.

Warnung vor zu knalligen Farben

Als eher negatives Beispiel für eine ansprechende Gestaltung gelten solche Kleiderständer, die einfach vors Geschäft gestellt werden.
Als eher negatives Beispiel für eine ansprechende Gestaltung gelten solche Kleiderständer, die einfach vors Geschäft gestellt werden. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Gewarnt wird vor zu knalligen Farben, Leuchtreklamen oder Strahlern. Auch die Gestaltung vor den Geschäften spielt eine Rolle. Hier gilt ebenfalls die Devise: Weniger ist mehr. Ein schicker Kleiderständer reicht, ebenso ein einziger Klappständer („Kundenstopper“). Was die Außengastronomie angeht: Stühle und Schirme sollten aufeinander abgestimmt und Plastik-Mobiliar tabu sein.

Nicht zu schrill, nicht zu bunt, lieber hellere und gedeckte Farben: Diesen Wunsch richten die Planer an die Hauseigentümer auch, wenn sie ihre Fassade neu gestalten, umbauen oder ganz neu bauen. Alles andere genießt ohnehin Bestandsschutz. Selbstverständlich schließe das Grautöne ein, hieß es zu kritischen Nachfragen.

Wittener Stadtbaurat: Wir wollen nur Auswüchse vermeiden

Ein Zuhörer wünschte sich mehr Buntes, um dem „tristen grauen Stadtbild“ etwas entgegenzusetzen. „Natürlich können Sie mit abgedecktem Farben wie Grün oder Blau spielen“, sagte Joachim Sterl. Man habe auch nichts gegen eine künstlerische Wandgestaltung, so Baudezernent Rommelfanger an die Adresse anwesender Künstler wie Patrick Bremer. „Es geht nur darum, Auswüchse zu vermeiden.“

Nun, zumindest in einem waren sich Publikum und Podium einig: Wichtig sei ein einheitliches Stadtbild, „damit die Menschen gern nach Witten kommen“. Und natürlich „auch die Eigentümer und Bewohner profitieren“. Klar ist: Die Debatte geht weiter.