Witten. Abnehmen, gesund essen – viele scheitern an diesen Vorsätzen. Eine Wittener Ernährungsberaterin erklärt, wie das uns auf Dauer gelingen kann.

Das Jahr ist noch jung, die guten Vorsätze vielleicht noch nicht ganz aufgegeben. „Gesünder ernähren“, „endlich abnehmen“ dürfte da bei dem ein oder der anderen ganz oben auf der Liste stehen. Katrin Albrecht hilft Menschen genau dabei. Die Wittener Ernährungsberaterin gibt Einzel-Coachings und leitet Infoveranstaltungen rund um die Themen Gewichtsverlust, vollwertige Ernährung und mehr Lebensqualität durch und mit Essen. Im Interview erzählt sie, wieso die „richtige“ Ernährung für jeden individuell ist, warum viele beim Abnehmen immer wieder scheitern und wie es auch ohne Verbote gelingen kann.

Frau Albrecht, Sie haben lange in der Lebensmittelindustrie gearbeitet. Wieso der Umstieg auf die Ernährungsberatung?

Ich habe über die Zeit gemerkt, dass mir bei vielen Projekten die Sinnhaftigkeit fehlte. Die Industrie hat Wege gefunden, ihre Massenproduktion so effizient und kostengünstig wie möglich zu gestalten – oft nicht zugunsten der Qualität und damit des Konsumenten. Da werden Produkte, die ursprünglich gut sind, mit Zusatzstoffen versetzt. Ein Beispiel ist Brot, das so einen ganzen Monat haltbar gemacht wird. Ein Brot vom Bäcker hält nur ein paar Tage, ist aber frei von unnötigen Zusatzstoffen – ich finde, wir sollten wieder mehr zum Ursprung der Produkte zurückkehren.

Welche Tücken der Industrie sollte man denn kennen, wenn man versucht, sich bewusst zu ernähren?

Man kann zum Beispiel beim Einkaufen einfach die Packung umdrehen und schauen: Wie viele Inhaltsstoffe sind aufgelistet? Produkte, die mehr als fünf bis sieben Inhaltsstoffe auflisten, sind für mich fragwürdig. Wenn in der Tabelle in Klammern steht „davon Zucker“, ist das Zucker, der zugesetzt wurde. Oft gibt es auch noch versteckte, wie Glucosesirup oder Maisextrakt. Mit den Fetten ist es genauso: Der Anteil an gesättigten Fettsäuren sollte möglichst klein sein. Im Gegensatz dazu sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren gesund, wie zum Beispiel Omega-3 und -6 Fettsäuren.

Diese Tricks zu durchschauen, bewusster einzukaufen, ist eine Sache. Was gehört sonst noch zu einer gesunden Ernährung?

Gesunde Ernährung ist eine Definitionsfrage. Für viele hört sich der Begriff nach Hühnerfutter an. Ich bevorzuge „passende Ernährung“. Es gibt Menschen, die von einer Suppe mit einer Scheibe Brot satt und zufrieden sind. Anderen reicht das nicht. Man kann niemandem die gesunde Ernährung diktieren, jeder muss für sich erkennen, was ihm oder ihr gut tut. Mein Tipp Nummer eins, wenn es irgendwie geht: auf Convenience-Produkte, also Fertigwaren, verzichten. Stattdessen frische Produkte kaufen und selbst verarbeiten. Nur so weiß ich, welche Inhaltsstoffe oder wie viel Salz und Fett zugesetzt ist. Das ist für alle wichtig, aber insbesondere für Menschen mit Bluthochdruck oder anderen ernährungsbedingten Krankheiten.

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Aber was, wenn ich es im stressigen Alltag einfach nicht schaffe, immer frisch zu kochen?

Vorkochen ist immer eine Option, auch für Familien: Bei uns isst einer vegan, der andere vegetarisch und der Rest isst alles. Da sind wir schon sehr um Vorbereitung bemüht. Es hilft auch, die Kinder mit einzubeziehen. Oft essen sie Dinge lieber, wenn sie selbst an der Zubereitung mitgewirkt haben. Am Sonntag kochen wir vor, frieren Portionen ein und essen bei Bedarf die Woche über davon. Und wenn es eben doch mal ein schnelles Essen essen sein muss, achte ich darauf, dass es Bio-Produkte sind, bei denen ich weiß, dass die Grundzutaten in Ordnung sind.

Sie plädieren in Ihrem Coaching für die „vollwertige“ Ernährung. Was bedeutet das?

„Vollwertige“ Ernährung bedeutet für mich, dass ich mir alle Stoffe, die mein Körper benötigt – Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, Kohlenhydrate, Proteine und gute Fette – in einem ausreichenden Maß zuführe. Dazu brauche ich über den Tag verteilt eine Vielfalt aus allen Lebensmittelgruppen: Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, in geringem Maß auch Milch- oder tierische Produkte. Oder, wenn man auf Tierisches verzichten will, Ersatzprodukte. So nehme ich das zu mir, was mein Körper benötigt, um sich gesund erhalten zu können. Am besten kaufe ich regional und saisonal, so schonen wir die Umwelt und unseren Geldbeutel.

„Ich bin ein Genussmensch“, sagt Katrin Albrecht von sich selbst. Die gebürtige Heidelbergerin lebt seit einigen Jahren in Witten.
„Ich bin ein Genussmensch“, sagt Katrin Albrecht von sich selbst. Die gebürtige Heidelbergerin lebt seit einigen Jahren in Witten. © privat

Ein großer Trend sind die sogenannten Superfoods. Welche sollten wir unbedingt in unsere Ernährung einbauen?

Superfoods zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen neben dem reinen Nährwert ein gesundheitlicher Zusatznutzen zugesprochen wird. Das können Kakao-Nibs sein, Samen und Nüsse oder Beeren, aber auch Gewürze wie Kurkuma, Ingwer oder auch Honig. Deren Inhaltsstoffe sollen zum Beispiel antientzündlich oder krebshemmend wirken. Auch fermentierte Produkte sind super, etwa rohes Sauerkraut oder Sauerteigbrot. Darin stecken Mikroorganismen, die die Darmflora stärken, Vitamine und vieles mehr.

Den meisten Menschen, die Sie beraten, geht es um die Gewichtsabnahme. Wo liegt das Problem?

Genau das versuchen wir im Coaching herauszufinden. Zu Beginn erfrage ich die Gewohnheiten, die Gewichtsentwicklung im Leben: Wie wurde ich als Kind geprägt? Wie habe ich mich bisher ernährt? Manche sind Stress-Esser, andere bewegen sich zu wenig, essen nur unregelmäßig oder schlicht zu viel, anstatt auf ihre Körpersignale zu hören und zu sagen: Ich esse, weil ich Hunger habe.

Warum klappt es bei vielen nicht mit dem Abnehmen, wenn sie es alleine probieren?

Oft haben die Menschen zu hohe Erwartungen, wollen möglichst schnell viel Gewicht verlieren. Sie setzen sich unter Druck, beginnen Diäten, die niemand lange durchhalten würde. Nach einer Weile brechen sie ab und sind von sich selbst enttäuscht – was sie gar nicht sein müssten. Wenn mein Ziel ist, 15 Kilo abzunehmen, brauche ich zwei bis vier Wochen pro Kilo. Das dauert Monate. Je nachdem, wie schwer man ist, wird es am Anfang schneller gehen. Aber je näher man dem Zielgewicht kommt, desto langsamer die Abnahme. Der Körper geht auf Sparflamme. Wenn ich dann nach drei, vier Monaten wieder anfange, so zu essen wie vorher, bin ich schnell wieder zurück bei meinem alten Gewicht. Der Körper denkt, er muss seine Reserven wieder auffüllen. Eine Routine in den neuen Essgewohnheiten entsteht erst nach vielen Monaten und diese muss auch beibehalten werden.

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Wie schaffe ich es, mich so lange zu motivieren?

Die Motivation muss aus einem selbst kommen. Es darf nicht der Partner sein, der sagt: „Du könntest aber mal ein paar Kilo um die Hüften abspecken.“ Es geht darum, selbst zu erkennen: Was kann und will ich in meinem Alltag in kleinen Schritten verändern? Jeder findet da etwas. Aber es muss ein innerer Wille da sein.

Wie steht es mit den gefürchteten Verboten? Keine Chips, keine Schokolade?

Wenn ich bewusst und vollwertig esse, muss ich mir nichts verbieten. Ich kann total gerne Schnitzel essen. Aber dann mache ich mir das nicht jeden Tag, sondern vielleicht als besondere Mahlzeit am Sonntag. Und dann esse ich auch keine drei Stücke Fleisch, sondern genieße das eine. Bei der vollwertigen Ernährung geht es um Achtsamkeit und das richtige Maß.

Es gibt mittlerweile viele Apps und Kalorienzähler, die dieses Maß für mich ermitteln. Brauche ich solche Hilfsmittel?

Bei den Apps ist oft das Problem, dass das selbst Erkennen und Nachdenken abgenommen wird. Die Technik sagt einem, was man noch darf und wie viel man zu sich nehmen sollte. Das kann eine gute Starthilfe sein, aber vielen Leuten fehlt heutzutage das Bewusstsein dafür, was und wie viel sie konsumieren. Manche kompensieren auch negative Gefühle mit Essen. Es gibt einen Vernunft-Hunger, einen Herz-Hunger, einen Magen-Hunger. Warum esse ich? Das zu erkennen, ist sehr wichtig auf dem Weg zum Wunschgewicht.

Viele bewegen sich zu wenig. Denen empfehlen Sie neben der passenden Ernährung auch Nordic Walking. Was ist das Tolle daran?

Nordic Walking ist gelenkschonender als beispielsweise Joggen. Man hält länger durch, das motiviert. Außerdem beanspruche ich durch die Bewegung mit den Stöcken nicht nur die Beine, sondern auch die Muskulatur in Armen und Oberkörper und arbeite an einer guten Körperhaltung. So kann ich relativ schnell ein Level an Sportlichkeit aufbauen. Nordic Walking lädt auch dazu ein, die Gedanken schweifen lassen, das tiefe Atmen macht den Kopf frei – das ist sowieso immer gut.

Wer mehr über Katrin Albrecht und ihr Beratungsangebot erfahren möchte, erhält weitere Informationen unter www.essen-tut-gut.de.