Witten. Swingen? Macht man nicht, musste sie sich anhören. Mittlerweile ist Christiane Stammgast im Wittener Treff 83 – und hat sich dort neu entdeckt.

Am Anfang erzählte Christiane ihrer Familie immer nur, sie sei auf einem Geburtstag eingeladen. Aber jede Woche, manchmal bis zwei Uhr nachts, drei Monate lang? Das fällt auf. Irgendwann schrieb ihr erwachsener Sohn ihr: „Ich finde das super, wie du dich entwickelt hast. Die Geburtstage tun dir gut.“ Christiane war geschockt. Wie reagiert man, wenn der eigene Sohn herausfindet, dass man seine Freitagabende im Swinger Club verbringt?

53-Jährige ist Stammgast im Wittener Swinger Club

Christianes erster Besuch im „Treff 83“ in Witten war im März vergangenen Jahres, damals noch gemeinsam mit ihrem Partner. Nachdem die Beziehung in die Brüche ging, fragte sie sich: „Was machste allein als Frau?“ Im Treff, wo auch Singles jederzeit willkommen sind, fand sie leicht Anschluss. Mittlerweile ist sie Stammgast, genießt trotzdem immer noch „Welpenschutz“.

Die 53-Jährige ist völlig neu in der Szene. Bei den erfahrenen Swingern im Treff habe sie sich gleich gut aufgehoben gefühlt. „Man wird sehr behutsam an die ganze Sache herangeführt, kann zuschauen, nachfragen.“ Und es müsse auch nicht immer Sex sein, manchmal bekomme man auch einfach eine Massage angeboten. Körperkontakt, Nähe — vielen reiche das schon.

Beim Swingen lerne man so einiges, erzählt die 53-Jährige. Ja zu neuen Dingen sagen, zum Beispiel, und Nein zu allem, was man nicht will. Und man lerne sich selbst neu kennen. Swingen, betont Christiane, würde sie jedem empfehlen, der Probleme mit sich hat oder sich nichts traut im Leben. Vor zwei Jahren wäre sie nicht einmal alleine ein Eis essen gegangen, weil sie nicht wollte, dass die Leute glaubten, sie hätte keine Freunde. Heute fliegt sie alleine in den Urlaub. „Ich fühle mich befreit, habe ein ganz neues Selbstvertrauen entwickelt.“

„Man kann im Leben nur dazulernen“

Was sie auch schätzt, ist die Gemeinschaft. „Man kommt als Fremder und geht als Freund“, beschreibt sie es. „Es wird immer darauf geachtet, ob es einem gut geht.“ Vor einem Krankenhausaufenthalt im vergangenen Jahr habe das Miteinander im Treff ihr unheimlich viel Kraft gegeben. Gemeinsam mit den anderen Stammgästen haben sie im Club Silvester gefeiert. „Man führt hier die tollsten Gespräche, manche schütten einem regelrecht ihr Herz aus.“

In Christianes Umfeld wissen einige Leute, dass sie swingt. Freundinnen in ihrem Alter fragten sie, was mit ihr los sei. Das sei doch schmuddelig — so etwas mache man nicht. Eine jüngere Bekannte war voll dafür, fand es super, dass sie so offen damit umgeht. Christiane selbst sieht es so: „Man kann im Leben nur dazulernen und ich urteile am liebsten über Dinge, die ich selbst erlebt habe.“ Und ihr Sohn? Der sei einfach nur froh darüber, wie gut es ihr neuerdings gehe.