Witten. Der älteste Swinger Club des Ruhrgebiets ist ein Familienbetrieb und wurde vor 40 Jahren in Witten eröffnet. Was erleben Menschen im „Treff 83“?
Das Plakat am Tor ist recht unscheinbar. Da steht zwar „Treff 83“, weiß auf schwarz, aber man könnte es glatt übersehen, wenn man nicht aufpasst. Ebenso unspektakulär: der Eingangsbereich. Als hätte man sich in eine Bar verirrt und nicht in den – laut Betreiber – ältesten Swinger Club des Ruhrgebiets in Witten. Aber die Bilder der vollbusigen Dame, die sich in lasziven Posen an der Wand gegenüber räkelt, lassen doch vermuten, dass hier nicht nur gesellig beisammen gesessen wird. Nicht nur, aber eben auch.
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„Zwanzig Prozent der Leute kommen nur für Sex“, schätzt Club-Betreiberin Sonja Vorst. „Die anderen wollen einfach den Tag ausklingen lassen und wenn dann Sex passiert – umso besser.“ Sie vergleiche das gern mit einem Frühschoppen, nur eben später am Tag und mit weniger Klamotten. Und wer keine Lust mehr hat, sich zu unterhalten, kann sich der schönsten Hauptsache des Clubs widmen. Aber wer macht „sowas“? Die kurze Antwort: Jeder. „Pärchen, Singles, von 18 bis 80 ist alles dabei – und jeder ist herzlich willkommen.“
Wittener Swingerclub ist ein Familienbetrieb
Der „Treff 83“ im Salinger Feld feiert Ende Mai sein 40-jähriges Bestehen. Der Swinger Club ist der älteste im ganzen Ruhrgebiet – und ein Familienbetrieb. Vor wenigen Jahren übernahm Sonja – im Club duzt man sich – die Leitung von ihren Eltern. „Eigentlich wollte ich nie“, betont die gelernte Floristin. Aber als ihr Vater Dieter mit nur 72 Jahren verstarb und es ihrer Mutter Maja immer schlechter ging, entschied sie sich doch dazu. Auch viele Stammgäste hätten sie darum gebeten. „Bei uns ist es sehr familiär, es geht um die Gemeinschaft.“ Wer zu ihr kommt, sei nicht Kunde – den Begriff konnte schon ihre Mutter nicht leiden –, sondern Gast.
Ihre Eltern leiteten ein Möbelgeschäft in Essen, bevor sie ‘89 den Club übernahmen. Vor ihren Kindern machten sie daraus nie ein Geheimnis. „Meine Eltern hatten eine glückliche Ehe und wir waren glückliche Kinder“, sagt Sonja von sich und ihrem Bruder. Auch, wenn sie jahrzehntelang nichts damit zu tun haben wollte, war es für sie immer ein normaler Job, den ihre Eltern da hatten. Auch ihre eigenen Kinder sähen das so. Ob sie den Club mal in dritter Generation führen sollen? „Nein!“, betont die 54-Jährige, obwohl sie den Treff und ihre Gäste liebt. „Es ist einfach sehr viel Arbeit.“
„Treff 83“: Das können Wittener hier erleben
Sonja swingt selbst nicht. Umso stolzer ist sie, als Nicht-Swingerin alles so hinbekommen zu haben, dass ihre Gäste sich wohlfühlen. Ein Raum im Obergeschoss wurde gerade erst umgestaltet, die Liegeinsel in der Mitte ist einem Schiff nachempfunden. „Hier lebt mein Vater weiter“, erklärt die Inhaberin. „Er war Seefahrer, ist immer gern gereist und hat alles ausprobiert, was geht.“ Nebenan: weitere Spielräume. Der Asia-Raum ist groß genug für Orgien. Hier finden auch Deutschlands größte Natursekt- oder NS-Partys statt. Pinkel-Sex – was für den unbedarften Laien neu sein mag, ist unter den Gästen schon lange beliebt. „Wir haben quasi damit angefangen – wenn man in der Szene nach NS-Partys fragt, heißt es: Treff 83.“
Ebenso bekannt wie beliebt: der BDSM-Raum. Die Abkürzung steht für Fesseln, Disziplin, Dominanz, Unterwürfigkeit, Sadismus und Masochismus. Die Einrichtung, dementsprechend: ein Andreaskreuz an der Wand, ein Käfig in der Ecke, daneben ein Sammelsurium an Seilen und ein schwarzes Holzbrett, das sich auf den zweiten Blick als Pranger herausstellt. Zuschauen, nachfragen, mitspielen – alles möglich. Viele Stammgäste seien da sehr offen, geben ihr Wissen gerne weiter. „Bei uns probieren die Gäste Dinge aus, die sie sich sonst nicht trauen würden“, erklärt die Inhaberin, „es gibt hier keine Wertung.“
Club-Betreiberin: „Die 80er waren genauso so verrucht wie heute“
Intern vielleicht nicht, aber das Konzept Swinger Club ist noch längst nicht bei allen angekommen: „Manchen müssen wir erklären, dass das hier kein Bordell ist.“ Vorurteile gebe es immer noch genug. „Dabei waren die Leute in den 80ern genauso verrucht wie heute – nur keiner hat es gezeigt.“ Sie merke, dass mehr darüber geredet werde, viele auch in ihrem Umfeld offen damit umgehen, dass sie swingen. Ein paar Gäste hätten sich im Club kennengelernt, sogar ihre Verlobung und die Hochzeit dort gefeiert. Was sie als Betreiberin schade findet: „In den großen Clubs geht’s beim Swingen oft nur noch um Party pur, Flatrate-Saufen und Selbstdarstellung.“
Das gibt es in ihrem Club nicht, aber auch hier finden Themen-Partys statt, von der Sauna-Fete über Anfänger-Treffs und Bi-Partys bis zum „Gruppensex Extrem“. Manchmal schlagen Gäste selbst Themen vor: Ein Pärchen veranstaltet Orgien nur für Frauen, „die werden sehr gut angenommen“. Die Preise variieren. Fürs Komplett-Paket mit „Sauna, Essen, Spaß“ zahlen Paare an normalen Abenden 60 Euro, Single-Frauen um die 25 Euro. Eine Einlassbeschränkung für Singles gibt es – außer bei Veranstaltungen, wo die Verteilung stimmen muss – nicht. Swingen heißt im Treff 83 übrigens nicht automatisch Partnertausch. „Manche Paare haben vielleicht einfach gerne Zuschauer.“
Wer neu ist, ob im Club oder in der Szene, bekommt eine Führung und genießt erstmal „Welpenschutz“. „Wir achten hier sehr auf Sicherheit, vor allem für die Frauen.“ Generell gilt im Treff: Alles und jeder kann, nichts und niemand muss. Es sind ungeschriebene Regeln, an die sich hier jeder hält: keine Handys, alles nur mit Handtuch und nichts ohne Kondom. Und wenn doch einer mal die Hand wandern lässt? „Sind wir da und regeln das.“ Und der Dresscode? Für Männer: schwarzes Shirt und Boxershorts, keiner müsse hier in Hose und Hemd aufkreuzen. Frauen dürfen sich gerne sexy zeigen, aber auch für sie gilt: Bitte nicht so aufgetakelt, „das ist nicht unser Stil“. Bleibt die Frage: Was lernt man als Betreiberin eines Swinger Clubs über Sex? „Dass er Menschen zusammenbringen kann, egal auf welche Weise und in welcher Beziehung und egal, wie sie aussehen oder wo sie herkommen.“
Alle weiteren Infos zum „Treff 83“ erhalten Interessierte unter www.treff-83.de.