Ein Ex-Mitglied des Freundeskreises Witten-Kursk stellt jetzt die offizielle Partnerschaft mit der russischen Stadt in Frage. Seine Gründe.

Einst hat sich Udo Feja (75) für die Partnerschaft mit dem russischen Kursk starkgemacht. Jetzt sieht er dringenden Handlungsbedarf, sie zu überdenken. Beim Blick auf die Webseite der Stadt kommen ihm die Tränen. Zu sehen sind unter anderem Fotos mit Kindern in Militäruniform, die grüne Mützen bekommen, ein Symbol für Grenzsoldaten.

Der dazugehörige Artikel vom 9. Dezember 2022 trage die Überschrift: „Am Tag der Helden des Vaterlandes schlossen sich 30 Schüler des Kindergartens Nr. 11 den Reihen der jungen Kursker Kadetten an“. Auf weiteren Bildern sind, sagt Feja, Jugendliche mit Gewehren abgelichtet, die in Reih’ und Glied stehen, begleitet von Militärangehörigen, hebt Feja hervor. In dem Text heiße es, dass die stellvertretende Leiterin der Stadtverwaltung die Mädchen und Jungen begrüßt. Anwesend sei zudem ein Vertreter der orthodoxen Kirche. Es handele sich offensichtlich um die Aufnahme der 30 Schüler in die Reihe junger Kadetten.

Initiator zog sich ausFreundeskreis zurück

Speyer beschränkt Partnerschaft auf private Kontakte

Wie Witten unterhält auch Speyer in Rheinland-Pfalz eine Städtepartnerstadt mit Kursk. In beiden Fällen besteht die Verbindung seit über 30 Jahren.

Auch Speyer hat sich nach einer längeren Diskussion dazu entschieden, die Partnerschaft fortzusetzen. Gegenseitige Besuche sind aber nicht mehr vorgesehen. Kontakte bestehen hauptsächlich auf privater Ebene.

Solche Aufnahmen müssen doch zu denken geben, sagt Udo Feja. Er hatte sich 23 Jahre für die Partnerschaft engagiert, war wiederholt mit jungen Menschen aus Witten in Kursk. „Ich gehöre nun mal zu einer Generation, die auf diese Weise die Völkerverständigung fördern will“. Als aber 2014 Russland die Krim annektierte, zog er sich aus dem Freundeskreis Witten-Kursk zurück. Seine Bedenken habe er auch allen Ratsvertretern sowie Bürgermeister Lars König geschrieben.

Die Reaktionen sind für Feja aber ernüchternd. König habe vor allem darauf verwiesen, dass die Frage der Partnerschaft Sache des Rates sei und es nicht dem Bürgermeister obliege, darüber zu entscheiden. „Ich frage mich aber schon, ob er nicht doch Initiative ergreifen kann?“ Darüber hinaus habe er nur Antworten von den zwei Ratsvertretern der WBG-Fraktion erhalten.

Deren Chef Siegmut Brömmelsiek hinterfragt ebenfalls, ob die Städtepartnerschaft noch gerechtfertigt sei, „nachdem der Krieg gegen die Ukraine immer brutaler und die Flugangriffe – auch von Kursk aus – immer flächendeckender geworden sind“. Der Flughafen wird laut WBG inzwischen nur noch militärisch genutzt. Die Fraktion war es auch, die bereits nach Kriegsbeginn im Rat den Antrag stellte, die Partnerschaft zu beenden, damit aber nicht durchkam. Gleichwohl ruht die Partnerschaft seither.

Rita Boele vom Freundeskreis Witten-Kursk bei der Protestkundgebung auf dem Rathausplatz kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Sie forderte Kremlchef Putin auf, den Krieg zu beenden.
Rita Boele vom Freundeskreis Witten-Kursk bei der Protestkundgebung auf dem Rathausplatz kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Sie forderte Kremlchef Putin auf, den Krieg zu beenden. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Private Kontakte sollten und können auch nach Ansicht von Udo Feja gepflegt werden. Er selbst steht weiterhin in Verbindung mit Freunden und Bekannten in Kursk. Aus Gesprächen und Mails weiß Feja allerdings, dass einige Leute das Land wegen des Krieges verlassen möchten, andere seien bereits gegangen.

Joachim Schramm und Detlef Thierig vom Wittener Friedensforum erinnern an die ersten Besuche in Kursk Ende der 80er Jahre. „Wir wurden auch von Weltkriegsveteranen der schrecklichen Schlacht am Kursker Bogen empfangen. Diese Menschen hätten allen Grund gehabt, uns als Nachfahren der deutschen Angreifer von damals vorwurfsvoll oder feindlich gegenüberzutreten. Sie taten dies nicht, sondern betonten die Notwendigkeit einer friedlichen Zukunft.“ Die sei zwar jetzt durchbrochen, „doch ist es nicht notwendig, mit den Menschen in der russischen Stadt den Kontakt aufrechtzuerhalten“?

Nach Worten des Forums entscheide weder Kursker Bevölkerung noch die Stadtduma darüber, ob vom nahe gelegenen Militärflughafen Bomber aufsteigen würden oder nicht. „Auch in Kursk bangen Mütter und Ehefrauen um ihre Söhne und Männer, die meistens nicht freiwillig in diesen Krieg ziehen mussten.“ Der Krieg der russischen Regierung sei zu verurteilen, aber „doch nicht die einfachen Menschen in Kursk, zu denen seit Jahren Freundschaften bestehen“.

Grundlage zur Beurteilung von Städtepartnerschaften könne doch nicht eine grundsätzliche Ablehnung russischer Menschen sein. Die WBG sollte sich, so das Friedensforum, hier ein Beispiel an den großmütigen Veteranen der Kursker Schlacht nehmen. Der Krieg der russischen Regierung sei zu verurteilen, aber „doch nicht die einfachen Menschen in Kursk, zu denen seit Jahren Freundschaften bestehen“.

Aus rechtlichen Gründen dürfen wir die Bilder, die auf der Internetseite der Stadt Kursk zu sehen sind, nicht veröffentlichen, hier finden Sie den Link.