Witten. Die Lieferengpässe bei Arzneimitteln machen sich auch in Witten bemerkbar. Mittlerweile sind nicht mehr nur Medikamente für Kinder knapp.
Die Lieferengpässe bei Medikamenten machen sich auch in Witten bemerkbar. Einige Arzneimittel sind gar nicht mehr zu bekommen, bei anderen muss auf Alternativen ausgewichen werden. Apotheker und Hausärzte schlagen Alarm, auch wenn noch kein Notstand ausgebrochen ist.
„Das Thema betrifft mittlerweile wirklich alle Bereiche“, sagt Apothekensprecherin Dorothe Werner. Sowohl frei verkäufliche als auch verschreibungspflichtige Medikamente seien betroffen. „Das geht schon bei normalen Halsschmerztabletten los“, sagt die Apothekerin. Auch Blutdruckmittel oder Cholesterinsenker werden allmählich knapp.
Apotheken in Witten verweisen auf Alternativen
„Wir versuchen immer wieder Ausweichmöglichkeiten zu finden“, sagt Werner. Für viele Medikamente gebe es Alternativen anderer Hersteller, das bedeute aber gleichzeitig auch einen großen Aufwand. „Wir müssen da jedes Mal Rücksprache mit den Ärzten halten, ob der Patient oder die Patientin das Medikament nehmen darf oder nicht.“ Das Personal gehe mittlerweile auf dem Zahnfleisch. „Die Entwicklung ist wirklich nicht gut.“
Bei Medikamenten für Kinder hat es bereits in den vergangenen Jahren Probleme gegeben, diese haben sich nun aber noch einmal zugespitzt. Vor allem Fiebersäfte oder Zäpfchen werden immer mehr zur Mangelware. „Wir raten den älteren Kindern deshalb schon, Tabletten zu nehmen“, sagt Werner.
Auch Erol Yilmaz von der Central-Apotheke an der Hörder Straße hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Wir können Rezepte für Kinder teilweise wirklich nicht mehr beliefern.“ Seit 14 Jahren ist er mittlerweile selbstständig, jetzt sei es erstmalig so, dass Arzneimittel nicht mehr ausgegeben werden können. Vor kurzem hatte er noch einen großen Vorrat, das habe sich herum gesprochen. „Die Leute kamen teilweise aus Hagen, Dortmund oder Essen, um bei uns Medikamente abzuholen.“ Mittlerweile sei alles wieder aufgebraucht.
Wittener Apotheker kritisiert die Politik
Yilmaz kritisiert hierbei vor allem die Politik. Die Gründe für den Mangel liegen neben unterbrochenen Lieferketten nämlich auch an den Krankenkassen. Diese zahlen nur wenig und haben teilweise strenge Rabattverträge. Dadurch würde es viele Pharmafirmen geben, die lieber andere Länder als Deutschland beliefern.
„Das kann doch nicht sein, hier geht es um die Gesundheit. Da sollte Qualität vor Quantität gehen und nicht immer darauf geachtet werden, dass alles möglichst günstig ist“, wird Yilmaz deutlich. Der Bund gebe Milliarden aus, für das Gesundheitssystem bleibe aber immer nur wenig übrig.
Helga Böllinghaus von der Adler Apotheke in der Innenstadt schlägt in die gleiche Kerbe. „Das ist wirklich dramatisch und ein Armutszeugnis für Deutschland.“ Auch bei ihr käme es immer öfter vor, dass sie die Medikamentenschubladen aufziehe und nur leere Fächer vorfindet. „Wir bekommen jetzt die Quittung für falsche Entscheidungen in den letzten Jahren.“
In den Wittener Arztpraxen gehört der Engpass mittlerweile ebenfalls zum Tagesgeschäft. „Das Phänomen gibt es schon seit drei oder vier Jahren. Jetzt ist aber der vorläufige Höhepunkt erreicht“, sagt Ärztesprecher Arne Meinshausen. Selbst der Arzneistoff Pantoprazol, der unter anderem bei Problemen mit der Speiseröhre angewendet wird, ist nicht mehr problemlos zu bekommen. Die 40-Milligramm-Dosis sei derzeit gar nicht zu erhalten, weshalb oft nur 20 Milligramm verschrieben werden.
Patienten versuchen zu hamstern
Auch Kliniken betroffen
Die Lieferengpässe betreffen auch die Kliniken in Witten. „Bisher ist es uns immer gelungen die notwendigen Medikamente zu erwerben. Dies ist jedoch eine immer größer werdende Herausforderung“, sagt Sebastian Schulz, Mitglied der Geschäftsleitung der St. Elisabeth Gruppe, zu der das Marien Hospital gehört.
Ähnlich äußert sich auch Annette Groteloh, die die Apotheke im Evangelischen Krankenhaus betreibt. Bisher haben man die Versorgung der Patienten durch alternative Arzneimittel sicherstellen können. Das sei allerdings „mit einem erheblichen Mehraufwand und enormen Mehrkosten verbunden“.
„Die Patienten nehmen da dann zum Beispiel zwei Tabletten von“, sagt der Allgemeinmediziner. Der Mangel führe aber auch dazu, dass einige Patienten versuchen würden zu hamstern. „Viele kommen dann viel früher als eigentlich nötig wieder in die Praxis, um sich die Medikamente verschreiben zu lassen. Das geht aber nicht. Es gibt dafür genaue Fristen.“
Trotz aller Sorge weist Meinshausen darauf hin, dass kein Notstand herrsche. Und auch Apothekensprecherin Dorothe Werner sagt: „Wir versuchen alles und bekommen es derzeit auch hin.“ Auch wenn das alles andere als leicht sei.