Witten. Unterbrochene Lieferketten machen sich auch in den Apotheken bemerkbar. Einige Medikamente sind in Witten kaum noch zu bekommen.
Leere Regale in den Apotheken. Fiebersäfte für Kinder sind derzeit kaum zu bekommen. Nur mit Glück werden Eltern fündig. „Diese Woche haben wir noch ein paar Flaschen bekommen, aber wie es nächste Woche aussieht, kann ich nicht sagen“, so Gabriele Teubner von der Elefanten-Apotheke. Auch in der Adler-Apotheke ist nur noch einen Restbestand verfügbar. Auch bei anderen Medikamente gibt es Lieferschwierigkeiten.
Doch der Engpass bei den Fiebersäften mit Paracetamol und Ibuprofen bereitet den Apotheken – nicht nur in Witten, sondern im ganzen Land – derzeit die größten Sorgen. „Einer der großen Hersteller hat bundesweit die komplette Vorbestellung für den Herbst gestrichen – und das waren wirklich sehr große Mengen“, sagt Michael Mahl, der Apothekensprecher im EN-Kreis. „Das habe ich so wirklich noch nicht erlebt.“ Lieferengpässe bei Arzneimitteln gebe es immer mal wieder – zuletzt massiv zu Beginn der Corona-Pandemie. „Dass es jetzt noch mal passiert, davon sind wir überrascht worden“, so Mahl.
Wittenerin rät, auf Zäpfchen auszuweichen
Grund sei diesmal nicht, dass Länder wie China oder Indien Rohstoffe zurückhalten würden, sondern dass die Lieferketten durch Krieg und Corona unterbrochen sind. Und wenn die Ware knapp sei, dann bekomme Deutschland davon nur wenig ab. „Denn die deutschen Krankenkassen zahlen wenig, haben strenge Rabattverträge“, erklärt Mahl. Da würden die weltweit tätigen Pharmafirmen lieber an die Länder verkaufen, die besser zahlen. „Deutschland liegt da im unteren Drittel.“
Und bei Fiebersäften gibt es noch dazu nicht viele Anbieter. „Vielleicht fünf Firmen produzieren den Saft, bei den entsprechenden Tabletten sind es mindestens zehn Mal so viel“, sagt die Wittener Apotheken-Sprecherin Dorothe Werner. Doch die Tabletten seien eben keine Alternative für kleine Kinder. Sie empfiehlt, auf Zäpfchen auszuweichen. Die seien zu bekommen – zumindest bislang noch. Bei Kindern über sechs Jahren könnten Eltern dann auf Schmelz- oder Brausetabletten ausweichen.
Apotheker überlegen, Fiebersaft selbst herzustellen
Mahl ist sicher: „Mit der Menge Fiebersaft, die wir jetzt haben, werden wir nicht über den Winter kommen.“ Richtung Herbst sei zwar eventuell mit Nachschub zu rechnen, haben die Apotheker erfahren. „Aber ob September oder November? Schon bis Oktober wäre es sehr lang“, meint Dorothe Werner. Viele Apotheker-Kollegen würden bereits überlegen, den Fiebersaft selbst herzustellen. Machbar sei das, aber eben sehr aufwändig. „Und personell kaum zu schaffen“, so Mahl.
Um die Versorgung kurzfristig sicherstellen zu können, hat die Wittenerin noch einen anderen Vorschlag parat. Fiebersaft werde oft vorsorglich verschrieben. Eltern sollten abwarten, ob er wirklich benötigt wird, bevor sie das Rezept einlösen. „So können die versorgt werden, die ihn wirklich brauchen.“
Engpässe auch bei Krampflösern und Durchfallmitteln
Und bei den anderen Medikamenten? Sprühvernebler von Asthma-Sprays fehlten in den letzten Wochen zum Teil ebenso wie Krampflöser, Durchfallmittel oder Cholesterinsenker. „Es fehlen immer mehr Arzneimittel queerbeet, auch verschreibungspflichtige“, so die Apotheken-Sprecher. Manche Probleme seien inzwischen wieder behoben, bei den Asthma-Sprays etwa. In anderen Fällen – etwa bei einem gängigen Brustkrebs-Präparat – hätten die Mittel aus dem Ausland besorgt werden können.
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Doch selbst wenn sich die Lage entspannen sollte. Michael Mahl ist sicher, dass „uns die Sorgen noch viele Jahre begleiten werden“. Denn die strukturellen Probleme könnten nicht von heute auf morgen gelöst werden. Es würden einfach zu wenig Medikamente in Europa hergestellt. „Wir haben die Produktion in andere Länder ausgelagert. Das fällt uns jetzt auf die Füße.“