Witten. Darauf hat Witten offenbar gewartet: Das Krümelreich in der Stadtgalerie entwickelt sich zum Treffpunkt. Hier dürfen Kinder mehr als anderswo.

Nein, es ist nicht gerade leise in diesem besonderen Café in der Stadtgalerie. Kinder toben zwischen den Tischen oder auf den kleinen Holzrutschen. Trotzdem sitzen die Eltern – vorwiegend Mamas sind es – ziemlich entspannt bei einer Tasse Tee oder einer Limo zusammen und plaudern. Denn das Krümelreich ist vor allem ein Paradies für Familien. Zwischen Friseurgeschäft und Dekoladen hat es vor drei Monaten in der Stadtgalerie Witten eröffnet. Ein Besuch vor Ort.

Das Café Krümelreich hat vor drei Monaten im Erdgeschoss der Stadtgalerie Witten eröffnet.
Das Café Krümelreich hat vor drei Monaten im Erdgeschoss der Stadtgalerie Witten eröffnet. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Wer rein will, der muss erst mal die halbhohe Stellwand am Eingang bei Seite schieben. Sie hindert die Kleinen daran, stiften zu gehen, denn die Schiebetüren stehen offen. Mancher, der vorbeikommt, hält kurz inne und wagt einen neugierigen Blick. Denn drinnen geht es turbulent zu. Trotzdem wirkt das Café einladend mit seinen in warmem Gelb gestrichenen Wänden, die ein wenig das fehlende Sonnenlicht ersetzen.

Krabbelgruppe trifft sich im Wittener Café

Fast jeder Tisch ist besetzt an diesem Freitagvormittag Ende November. Die große Runde hinten links feiert Premiere: Die sechs Frauen aus Witten, Wetter und Gevelsberg sind mit ihren sechs bis acht Monate alten Sprösslingen zum ersten Mal hier. „Wir brauchten was Kinderfreundliches, wo man Platz hat“, erklärt Isabelle Symank (32).

Im Krümelreich dürfen die Kinder auch auf dem Boden herumkrabbeln. Leoni (acht Monate) und Finlay (li., sechs Monate) macht das Spaß.
Im Krümelreich dürfen die Kinder auch auf dem Boden herumkrabbeln. Leoni (acht Monate) und Finlay (li., sechs Monate) macht das Spaß. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Von einer anderen Krabbelgruppe haben sie von dem Angebot in der Stadtgalerie erfahren – und sind begeistert. „Wir werden unser Treffen hier auf jeden Fall wiederholen.“ Wenn Finlay, Kilian, Henri, Leoni, Emma und Ylvi erst größer sind und laufen können, dann werden auch sie das Krümelreich zu schätzen wissen.

Was es hier nicht alles gibt: Spielgeräte stehen verstreut im Raum, darunter eine Holzeisenbahn. Auf dem Boden liegt so manches herum. Auch schon mal ein Kind. Vorsicht Erwachsene – auf beides möglichst nicht drauftreten. Mittendrin: ein Iglu aus Weidengeflecht, in das sich die Kurzen zurückziehen können, wenn es ihnen doch mal zu bunt wird. Erik (fast zwei) interessiert sich allerdings gerade besonders für die Holzküche.

Wittener Großeltern: Das Café ist eine „geniale Idee“

Die Großeltern wohnen in der City und waren schon häufiger mit ihrem Enkel im Krümelreich. „Sonst muss man in Cafés immer darauf achten, dass die Kinder ruhig sind. Hier kann man sie einfach laufen lassen“, sagt Gregor Schumacher (53). Auch seine Frau Margit (58) freut sich über die „Bereicherung“ im Stadtbild. „So etwas hat gefehlt.“ Beide halten die Idee der Betreiber – dahinter steckt der inklusive Verein Meisterwerk Mensch – für genial: „So etwas aufzuziehen, mitten im Geschehen, mitten im Leben.“

Monique Schüler arbeitet im Krümelreich. Auf Wunsch serviert sie nicht nur Schokomuffins, sondern auch Flaschenwärmer.
Monique Schüler arbeitet im Krümelreich. Auf Wunsch serviert sie nicht nur Schokomuffins, sondern auch Flaschenwärmer. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Sie sind selbst völlig überrascht vom Erfolg ihres Konzepts, mit dem sie ein vielfältiges Publikum ansprechen wollten: Familien mit kleinen Kindern, Jüngere, Ältere, Menschen jeder Nationalität, mit Handicap oder ohne. „So wie Witten-Mitte halt ist“, sagt Dorit Remmert vom Verein. Monique Schüler, die die einzige volle Stelle im Café hat, steht hinterm Tresen und strahlt: „Wir wollten eigentlich alle möglichen Werbestrategien starten, damit die Leute kommen. Aber das passiert ganz von alleine.“

Wittener Verein hätte gerne Tageslicht

Auch was den Standort in der Stadtgalerie betrifft, waren sie erst skeptisch. Tageslicht hätten sie immer noch gerne. Dafür sind die Räume im Sommer klimatisiert. „Vieles ist hier stimmig“, sagt Schüler. Das Parkhaus, der Aufzug – praktisch mit Kind und Kegel. Auch mit den benachbarten Geschäftsleuten verstehe man sich gut.

Die holen sich in der Mittagspause schon mal einen Milchreis oder eine der interessant belegten Stullen,

Café und barrierearmer Veranstaltungsraum

Das Krümelreich im Erdgeschoss der Stadtgalerie ist ein inklusives Café. Die Öffnungszeiten: montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr. Betreiber des Cafés ist der Wittener Verein Meisterwerk Mensch.

In den Räumlichkeiten finden außerdem regelmäßig barrierearme Veranstaltungen statt, etwa freitags von 15.30 bis 17 Uhr ein Kreativlabor. Mittwochs gibt’s von 9.30 bis 11 Uhr einen Spieltreff, donnerstags ab 15.30 Uhr eine „Kaffeepause“ für Eltern. Weitere Info unter meisterwerkmensch.de oder kruemelreich.de.

die es heute zum Beispiel mit Rote-Bete-Dip, Sprossen und Walnüssen gibt. Kuchen steht in der Vitrine, in den Sorten Mohn, Apfel und Käse. Beliebt sei vor allem der vegane und zuckerfreie Dattelkuchen. Überhaupt ist hier alles Ess- und Trinkbare bio und möglichst aus der Gegend. Die Preise sind trotzdem zivil. Manches Angebot wird man woanders vergeblich suchen, etwa den Kinder-Cappuccino. Dahinter verbirgt sich geschäumte Milch. Serviert in einer schönen (und bruchsicheren) Tasse. Monique Schüler: „Das sieht dann aus wie bei Mama und Papa.“

Stammgäste: Dankbar für dieses Angebot

„Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dem Angebot“, sagt Märyem Jassim. Die 44-Jährige verrät, dass sie jeden zweiten Tag mit Töchterchen Marianna (2) hier sei, seit das Café geöffnet hat. „Ich bin dankbar, dass es sowas in Witten gibt.“ Zwar biete etwa auch das Extrablatt eine Spielecke, doch die hätte ihre Tochter nicht genutzt – einfach weil ihr die anderen Kinder fehlten. Auch Freundin Alla Hasojan (34) gefällt es im Krümelreich, obwohl sie ohne Kinder da ist. „Die sind schon groß.“ Der Geräuschpegel? „Stört mich nicht.“

Die Hälfte der Krabbelgruppe hat sich inzwischen mit Babys und Decken auf den Boden verlagert, während die kleine Emma selig auf Mama Annikas Arm schlummert – mitten im Trubel.