Witten. Mehrere Mieter des Gebäudekomplexes City-Passage in Witten stehen immer wieder vor Gericht: Sie sollen tausende Euro nachzahlen. Zu Unrecht?
Seit drei Jahren gibt es mehrere Gerichtsprozesse um hohe Nebenkostenabrechnungen zwischen den Mietern der City-Passage und der Eigentümerin, die „Squadron Real Estate“. Bei der Vermietung des großen zweiteiligen Gebäudekomplexes in der Fußgängerzone, der unter anderem Kik, Easy Fitness oder die Optik Spengler beherbergt, scheint einiges unklar zu verlaufen.
Laut Richterin Barbara Monstadt laufen am Amtsgericht gleich mehrere Verfahren, die alle ähnlich gelagert sind. Die Mieter der 31 Wohnungen haben nach dem Besitzerwechsel 2018 erst eine Mieterhöhung erhalten sowie eine Nebenkostennachzahlung, die viele finanziell überforderte. Sie hielten die Nachzahlung zurück und werden nun von Squadron Real Estate verklagt.
Verhandelt werden noch die Abrechnungen von 2019
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Wohlgemerkt: Vor dem Amtsgericht Witten und dem Landgericht Bochum werden die Nebenkosten von 2019 verhandelt. Auch für 2020 liegen bereits hohe Nachzahlungsaufforderungen vor. Inzwischen würden die Nebenkosten sogar die Kaltmiete übersteigen. „Die wollen einfach die Mieter unter Druck setzen und zermürben“, vermutet Rechtsanwalt Hauke Herrmann, der in einem Prozess am Dienstagmorgen Ralf Uwe Wienes vertritt.
Der 59-Jährige ist bereits wieder aus der City-Passage ausgezogen. „Ich bin so froh, dass ich ganz schnell eine andere Wohnung gefunden habe“, sagt er. In den knapp drei Jahren, die er in der 64 m² großen Wohnung über dem Kik-Geschäft verbracht hat, habe es Erhöhungen gehagelt. Für 2019 soll er 1535 Euro an Nebenkosten nachzahlen. Wofür, versteht er nicht. Selbst der Rechtsanwalt des Vermieters sieht sich während des Prozesses nicht in der Lage, die einzelnen Posten aufzuschlüsseln. „Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen, warum viele Betriebskosten so exorbitant hoch sind“, wirft ihm Richterin Monstadt vor.
Bewirtschaftung der Gewerbeflächen auf Mieter umgelegt?
6300 m² großer Komplex
Mit dem Bau der City-Passage, deren Wände komplett aus Beton sind, wurde 1989 begonnen, 1991 war er beendet. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hatte die Gebäude zum 1. September 2016 an die Münchner Apollon Grundbesitz GmbH veräußert. Zwei Jahre später verkaufte diese wiederum an die Squadron Real Estate GmbH.
Im dem 6300 m² großen Komplex gibt es 31 Wohnungen, vorwiegend sind sie öffentlich gefördert. Der Großteil der Mieter werde vom Sozialamt unterstützt. Auf der Erdgeschossebene gibt es Gewerbeflächen, unter anderem das Textilgeschäft Kik, das Fitnessstudio Easy Fitness, Optik Spengler oder einen Bubble Tea-Laden.
„Die Abrechnung ist in unseren Augen formell unwirksam, weil sie zu kompliziert ist“, sagt Knut Unger vom Wittener Mieterverein. „Ich habe mehrere Tage gebraucht, um die einzelnen Quellen zu verstehen.“ Er vermutet: Offenbar wurde auch die Bewirtschaftung der teils leerstehenden Gewerbeflächen, der Parkhäuser oder des Gehwegs durch die Passage auf die Mieter umgelegt. Provokativ könne man auch sagen: Da das Gros der Wohnungen durch das Sozialamt bezahlt wird, würde die Immobilie „über Steuergelder subventioniert“.
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Ein Posten in Ralf Uwe Wienes Abrechnung ist die teure Müllentsorgung. Er selbst konnte nur eine einzige Mülltonne nutzen, die zu seiner Wohneinheit an der Poststraße 11 gehörte, schildert er vor Gericht. In der Abrechnung wird aber die Entsorgung aller Mülltonnen anteilig umgelegt. Auch Mieterin Nadja Bosselmann erzählt: 60 Euro pro Monat habe jede Mietpartei für eine Putzfrau zahlen müssen, die allerdings nicht nur den Hausflur reinigte, sondern auch den Gewerbebereich. Skurril dabei: Die Reinigungskraft selbst prozessiert angeblich gegen ihren einstigen Arbeitgeber.
Richterin hätte zugunsten der Mieter entschieden
Richterin Barbara Monstadt hätte in den beiden Prozessen jeweils zugunsten der Mieter entschieden. Der Rechtsanwalt von Squadron Real Estate aber wählte ein „Versäumnisurteil“ – er ist zwar zum Prozess ordnungsgemäß erschienen, hat aber nicht verhandelt. Rechtsanwalt Hauke Herrmann kennt den juristischen Kniff: „Er wird wohl Widerspruch einlegen, dann wird wieder von vorn verhandelt.“ So lange bleibt die Zahlungsaufforderung für 2019 bestehen, wie auch für 2020 und vermutlich 2021.