Witten. Der Besitzer der City-Passage in Witten stellt hohe Nachforderungen an die Mieter der 31 Wohnungen. Manche sollen tausende Euro zahlen.

Schon 20 Jahre lang wohnen die Jakubczaks in der Wittener City-Passage an der Bahnhofstraße. 18 Jahre lang habe es keine Probleme gegeben, sagen sie. Doch seit der neue Besitzer, die Squadron Real Estate GmbH, das Objekt im September 2018 erworben hatte, hagelt es für alle Bewohner Mieterhöhungen und Nachforderungen. „Wir sollen auf einen Schlag 2500 Euro zahlen“, sagt Gregor Jakubczak (44). Seine Frau kämpft mit den Tränen. Der Mieterverein sichert Hilfe zu.

Die City-Passage besteht aus zwei Gebäudekomplexen, die nahe der Stadtgalerie in der Fußgängerzone liegen. Dort gibt es nicht nur Gewerbeflächen und eine Tiefgarage, sondern auch 31 überwiegend mit öffentlichen Mitteln geförderte Sozialwohnungen. Mit knapp vier Euro pro Quadratmeter seien die Mieten außerordentlich günstig gewesen, so Knut Unger vom Mieterverein.

Mieter der City-Passage in Witten: Drei Mieterhöhungen innerhalb von 18 Monaten

Dass Ben Dahlheim, Geschäftsführer der Squadron, sie umgehend auf knapp fünf Euro erhöhte, sei rechtlich zulässig. Zum Streit führte dann die Forderung, diese Mieterhöhung für 22 Monate rückwirkend zu zahlen. Außerdem hätten alle Mieter im Juni 2020 Nebenkostenabrechnungen mit „extrem hohen“ Nachforderungen für 2019 erhalten. So sollen etwa die Jakubczaks „innerhalb von 30 Tagen“ knapp 2000 Euro für ihre 92 m² nachzahlen. Ihre monatliche Vorauszahlung wurde im selben Schreiben um 161 Euro auf 430 Euro erhöht. „Das war ein Schock. Das kann sich doch keiner leisten“, sagt Malgorzata Jakubczak (49).

Ralf Uwe Wienes lebt seit 18 Monaten in einer 64 m² großen Wohnung in der City-Passage. „Ich habe inzwischen die dritte Mieterhöhung erhalten“, sagt der 57-Jährige. Die erste, die vier Wochen vor seinem Einzug gekommen sei und nur 80 Cent/m² betragen habe, habe er noch geschluckt. Ihm sei zugesichert worden, dass es dabei bliebe. Inzwischen soll er außerdem knapp 1800 Euro an Nebenkosten für 2019 nachzahlen. „Ich weiß nicht, wie ich das mit meiner kleinen Rente stemmen soll“, so Wienes.

Mieterverein Witten zu Entscheidung des Amtsgerichts: Krasses Fehlurteil

Der Eigentümer berufe sich darauf, dass die Mietverträge eine Klausel enthielten, die eine derartige rückwirkende Erhöhung ermöglichen würden, sagt Mieterverein-Sprecher Knut Unger. „Diese Ansicht ist rechtlich falsch.“ Eine ganze Reihe von Mietern habe daraufhin Widerspruch eingelegt. Dahlheim habe in mindestens elf Fällen seinerseits Klage erhoben.

Protest gegen hohe Forderungen

Mit dem Bau der City-Passage, deren Wände komplett aus Beton sind, wurde 1989 begonnen, 1991 war er beendet. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hatte die Gebäude zum 1. September 2016 an die Münchner Apollon Grundbesitz GmbH veräußert. Zwei Jahre später verkaufte diese wiederum an die Squadron Real Estate GmbH. Damals sagte deren Geschäftsführer, man plane, das Objekt langfristig zu halten.

Die Vermieter der 31 Wohnungen haben nun hohe Nachforderungen der Betriebskostenabrechnungen 2019 und Erhöhungen der monatlichen Vorauszahlungen sowie rückwirkende Mieterhöhungen erhalten. dagegen wollen sie am Freitag, 21. August, protestieren: um 17 Uhr an der City-Passage gegenüber der Stadtgalerie.

Dass das Wittener Amtsgericht ihm in einem Fall bereits Recht gegeben habe, sei laut Mieterverein „ein krasses Fehlurteil“. Das Gericht habe oberflächlich argumentiert. Unger: „Es würde einer Berufung nicht standhalten.“ Trotzdem fürchteten die Mieter nun diesen Schritt. Für den 9. November sei zunächst ein Gütetermin anberaumt.

Mieterin: Jeder von uns hat Schimmel in der Wohnung

Für nicht nachvollziehbar hält Knut Unger die nachgeforderten und gleichzeitig erhöhten Nebenkostenabrechnungen für die Wohnungen. Denn daraus ergebe sich nicht, ob und wie die Kosten für die teils leerstehenden Gewerberäume und die Tiefgarage in den Komplexen anteilig einberechnet würden.

Unger kritisiert außerdem, dass Grundsteuern, Müll- und Aufzugskosten teils mehr als das Doppelte der Vorjahre betragen würden. Dabei habe sich an der Höhe der Gebühren nichts geändert und die Aufzüge seien trotzdem ständig defekt. „Jeder von uns hat Schimmel in der Wohnung“, fügt Malgorzata Jakubczak noch der Vollständigkeit halber hinzu. Die Familie ist längst auf der Suche nach einer neuen Wohnung.

Die Bewohner haben nun Unterschriften gesammelt und an Dahlheim geschrieben. Der Mieterverein fordert von der Squadron, die Klagen zurückzuziehen und die Kosten neu und nachprüfbar zu berechnen. Unger befürchtet: „Das wird eine lange Auseinandersetzung.“ Der Vermieter selbst hat auf eine Anfrage dieser Zeitung bis Redaktionsschluss nicht reagiert.

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