Witten. Vom Nähgarn bis zum Radio: Das Kaufhaus Gassmann bietet den Kunden Waren für den alltäglichen Bedarf - und das seit über 100 Jahren.
Vom Nähgarn bis zum Toaster: Das Kaufhaus Gassmann bietet den Kunden Waren für den alltäglichen Bedarf und das seit über 100 Jahren. Zugleich stellt das bodenständige Familienunternehmen die Weichen für die Zukunft.
Eigentlich wäre 2021 das Jubiläumsjahr gewesen, sagt Geschäftsführerin Christine Gassmann-Berger, denn 1921 hatte ihr Großvater Ernst gemeinsam mit seiner Frau Paula ein erstes kleines Lokal an der Innenstadt eröffnet. Doch in Lockdown-Zeiten „stand uns nicht der Sinn nach Ehrung oder Fest“. Das wurde jetzt mit einer kleinen Feierstunde nachgeholt, bei der Vertreter der IHK eine Urkunde überreichten.
Gassmann in Witten-Herbede schließt zum Jahresende
Ort des Geschehens war das Kaufhaus selbst, an dem Gassmann seit 1973 mit seinem Hauptsitz ansässig ist. Die Entscheidung für einen Standort mitten in der City sollte sich als goldrichtig erweisen, unterstreicht die Geschäftsführerin. Auf 800 Quadratmetern biete sich dem Kunden eine breite Palette, angefangen von Haushaltswaren über Elektrogeräte bis hin zu Kleidung.
Eine solche Auswahl gehört auch zum Sortiment an den weiteren drei Standorten: Meinerzhagen, Essen-Überruhr und Herbede. Das Geschäft im Wittener Stadtteil Herbede wird allerdings zu Jahresende schließen, ein Investor will das Gebäude abreißen und Wohngebäude errichten. Mitarbeiter können zur Bahnhofstraße wechseln, so dass weiterhin 60 Beschäftigte für Gassmann im Einsatz sind. Den Rückzug bedauert die Geschäftsführerin, aber Handel bedeute immer wieder auch Wandel. Das zeige sich beispielsweise an dem Warenangebot. Werden Fachgeschäfte für Leder-, Spiel- oder Schreibwaren weniger, „merken wir bei uns eine steigende Nachfrage“. Andersherum spüre man eben auch, wenn die Zahl der Einkaufscenter anwachse.
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Onlinehandel als wachsende Konkurrenz
Zum größten Konkurrenten habe sich nun mal der Online-Handel entwickelt, sagt die 68-Jährige. Kaufhäuser wie Gassmann können nach ihren Worten da vor allem mit Service und Beratung punkten. Eines sei aber oft ärgerlich: Kunden erkundigen sich im Gespräch mit dem Verkaufspersonal über einzelne Artikel, bekommen Tipps und Ratschläge. Die Bestellung bei einem Internetanbieter erfolge dann meist noch im Geschäft über das Handy.
Gassmann selbst verstehe sich nach wie vor als ein Vor-Ort-Geschäft, wobei sich der Kunde auf der Webseite einen Überblick über das Sortiment verschaffen könne. In Zeiten des Lockdowns „haben wir wie viele andere Händler natürlich auch den Verkauf an der Ladentür betrieben“. Dass es mal eine Zeit geben sollte, in der Geschäfte komplett schließen müssen, „hätte ich mir nie vorstellen können“. Dass nun neben der Pandemie auch noch infolge des Krieges Preise geradezu explodieren, erschwere die Lage für den Einzelhandel.
Starke Verbundenheit der Beschäftigten mit dem Unternehmen
Die Wittenerin ist nach dem Studium im Alter von 25 Jahren in das Unternehmen eingestiegen, führte es jahrzehntelang gemeinsam mit ihrer Mutter Magdalene und Vater Wolfgang, der 2017 im Alter von 91 Jahren starb. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, sei oftmals eine Herausforderung gewesen, sagt die zweifache Mutter. Ihr Mann ging beruflich im Übrigen seine eigenen Wege und war in der Computerbranche tätig. „Seine Hilfe konnten wir hier in der Firma natürlich gut gebrauchen.“
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Mitglied in Einkaufsgenossenschaft
Das Unternehmen Gassmann ist Mitglied der EK/Servicegroup in Bielefeld. Das ist eine Einkaufsgenossenschaft mit über 2000 Mitgliedern, darunter auch Österreicher, Niederländer und Franzosen.
Das Kaufhaus nutzt Werbe- und IT-Abteilungen des Zusammenschlusses. Die Geschäftsführerin gehört dem Vorstand der Genossenschaft an und ist zudem Mitglied der Wittener Standortgemeinschaft.
Eine starke Verbundenheit der Beschäftigten mit dem Unternehmen präge das Zusammensein, sagt die Kaufhaus-Chefin. Erst vor wenigen Wochen habe ein Mitarbeiter die 40-jährige Zugehörigkeit, eine Mitarbeiterin das 45-Jährige gefeiert. Die Jubilarin habe schon mit der Ausbildung bei Gassmann begonnen. Ehestiftend war das Kaufhaus schließlich auch bereits. „Das Paar hat sich bei uns kennen- und lieben gelernt.“
Eine Frage, die Christine Gassmann-Berger in Zeiten rund um das Jubiläum sehr häufig hört, lautet, wie es denn mit dem Kaufhaus weitergehen wird. Sie ist 68 Jahre, aus der Familie möchte das Geschäft niemand übernehmen. „Ich möchte noch ein paar Jahre weitermachen und derweil nach einer guten Nachfolgelösung suchen.“