Witten. Die Frauen der Ev. Kirche in Witten-Rüdinghausen hängen ihr ehrenamtliches Engagement an den Nagel. Das trifft die Gemeinde schwer.
Ohne sie wird die Ev. Kirchengemeinde Rüdinghausen ein Stück ärmer: Die Frauenhilfe beendet nach über 100 Jahren ihre Arbeit in dem Wittener Stadtteil und löst sich zum 31. Dezember als Verein auf. Alle Formalitäten seien schon erledigt, sagt Ingeborg Stenzel, die ehemalige Vorsitzende. Pfarrer Carsten Griese wird vor allem „die großartigen Kuchenbüffets“ und die unterhaltsamen Modenschauen vermissen. Doch da war noch viel mehr, worum sich die Ehrenamtlichen gekümmert haben.
Auf einer gut besuchten Versammlung haben sie das endgültige Aus verkündet. „Da hat keine andere gesagt: Ich mach das weiter“, erinnert sich Ingeborg Stenzel. Lange hatte sich die 85-Jährige schon um eine Nachfolgerin bemüht – ohne Erfolg. „Warum wollt ihr denn gleich aufhören?“, sei sie zwar immer wieder gefragt worden. Doch in die Bresche springen, das wollte keine. Das sei in der Tat auch nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört. Denn als Verein sei man an feste Strukturen gebunden. Aktenordner über Aktenordner habe sich mit Unterlagen gefüllt.
Gruppe in Witten-Rüdinghausen hatte noch 40 Mitglieder
Der Bruch zeichnete sich ab, als die Kassenführerin nach 50 Jahren aufhörte. Dann kam auch noch Corona dazwischen und machte viele Kontakte zunichte, die die Frauen sonst gepflegt hatten. Bis zuletzt hatte die Frauenhilfe rund 40 Mitglieder. Die Jüngste war 70 Jahre alt. Nachwuchs nicht in Sicht. „Früher war das ganz anders“, sagt Ingeborg Stenzel. „Meine Mutter hat mich einfach bei der Frauenhilfe angemeldet.“ Über 50 Jahre gehörte sie dem Verein an. „Doch richtig losgelegt habe ich 1996.“
Es ging längst nicht nur um den Austausch der Frauen untereinander. Der Verein hat Vorträge, Ausflüge und Weihnachtsfeiern organisiert, vor allem für Ältere. „Viele Witwen waren dabei.“ Bei Gemeindefesten oder anderen großen Veranstaltungen haben die Frauen mitgeholfen. Nicht zu vergessen ihre regelmäßigen Besuche bei älteren Gemeindemitgliedern, die Geburtstag hatten oder krank waren. Einmal hat Stenzel sogar spontan eine ganze Geburtstagsfeier für einen älteren Herrn auf die Beine gestellt, der so etwas sonst nicht mehr erlebt hätte.
Wittener Pfarrer: Verlässliche Größe im sozialen Leben
„Die Frauenhilfe war immer eine verlässliche und eigenständige Größe im sozialen Leben der Kirche“, sagt Griese. „Wenn es etwas zu tun gab, dann war jemand da. Das war ganz selbstverständlich“, lobt der Pfarrer. Für dieses ehrenamtliche Engagement gebühre den Frauen großer Dank. Außerdem sei durch den Verein, der immer auch die Situation von Frauen in anderen Ländern im Blick hat, das Thema Gender-Gerechtigkeit relativ früh in die Gemeinde hineingetragen worden. „Dass es das alles nun nicht mehr geben wird, ist ein schwerer Verlust für uns.“
Früheres Ziel: Armut lindern
Alles begann 1899, als Kaiserin Auguste Viktoria in Berlin den „Evangelischen Frauenverein“ als großen Wohlfahrtsverband gegründet hat. Die Frauenhilfe Rüdinghausen selbst besteht seit dem 13. Mai 1913.
Damals ist sie mit dem Ziel angetreten, Not und Armut zu lindern. Tatsächlich boten die Mitglieder vor allem Familien aus ärmeren Schichten Hilfe an.
Die Frauenhilfe Rüdinghausen gehört zur Ev. Frauenhilfe in Westfalen mit Sitz in Soest. Diese ist ein eingetragener Verein und tätigt die gemeindebezogene Frauenarbeit in Westfalen.
Jungen Frauen fehle das Interesse und die Zeit für dieses Ehrenamt, haben Ingeborg Stenzel und Ruth Wiemer (75) – ebenfalls langjähriges Mitglied – erfahren. Beide waren selbst auch berufstätig und haben Kinder. „Aber wir hatten trotzdem ein anderes Leben“, sagen sie. Beide haben mit vier Generationen unter einem Dach gelebt. „Da war immer eine Oma da für die Kinder.“
Auch Pfarrer Griese weiß, wie schwierig das ist mit dem ehrenamtlichen Tun. „Viele wollen sich ja einbringen.“ Aber eben nicht auf Dauer. „Man muss es schon gerne machen und die Chemie muss stimmen“, sagt Ruth Wiemer.
Die letzte Frauenhilfe in Witten gibt es auf dem Schnee
So wird bald die kleinere Frauenhilfe auf dem Schnee die letzte ihrer Art in Witten sein. Dort hält Margitta Stehmeier die Fäden in der Hand. Noch, muss man sagen. Denn auch dort sei ein Ende absehbar.
Für die Frauen in Rüdinghausen wird es im November einen Abschlussgottesdienst geben. „Danach machen wir eine gemeinsame Fahrt, um die Kasse zu verjubeln“, lächelt Ingeborg Stenzel. Und auch danach wird noch nicht komplett Schluss sein. Der Montagskreis wird sich weiterhin einmal im Monat treffen. „So lange wir noch laufen können, werden wir was tun“, sagen Stenzel und Wiemer. Denn schließlich sind beide ihr Leben lang fest in der Gemeinde verwurzelt.