Witten. . 13 Wittener planen gemeinsam ihr zukünftiges Heim – damit sie im Alter nicht alleine leben müssen. Gesucht wird dafür nicht nur ein Haus.
Die Kinder sind aus dem Haus. Der Partner ist verstorben. Oder es gibt weder Kinder noch Partner. Dann taucht irgendwann die Frage auf: Wie möchte ich im Alter leben? Ursula Brenscheid und ein Dutzend Mitstreiter geben darauf eine klare Antwort: „Wir wollen auf keinen Fall allein sein.“ Deshalb planen sie ein Mehr-Generationen-Wohnprojekt, vermutlich das erste in Witten. Was noch fehlt, ist ein geeignetes Grundstück für den Neubau oder ein passendes Gebäude. Und eine Familie hätten sie auch gerne dabei.
Die Idee ist längst kein Luftschloss mehr. Es gibt ein Konzept, in dem die Gruppe ihre „Vision“ genau ausgearbeitet hat. Denn seit fast zwei Jahren treffen sich die 13 Frauen und Männer zwischen Ende 40 und Mitte 60 regelmäßig jeden Sonntag, um ihre Vorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Da heißt es abwägen, diskutieren – und auch manchmal gefrustet sein. „Aber ich habe dabei gemerkt, das ich das wirklich will“, sagt zum Beispiel Irene Timmermeister.
Sie ist erst seit einem halben Jahr dabei und hat übers Internet von dem Projekt „Wohnen-in-Gemeinschaft Witten“, so der Arbeitstitel, erfahren. „Wir haben keine Kinder“, sagt sie. „Und ich habe meine alleinlebende Schwiegermutter gepflegt. Das ist einfach ein Elend.“ Damit meint sie vor allem die Einsamkeit, die vielen Menschen im Alter besonders zu schaffen macht.
Nachhaltigkeit ist Teil des Konzeptes
Auch eine andere Frau kennt das Problem von ihrer Arbeit in der ambulanten Pflege: „Was ich da erlebt habe, war teils ziemlich gruselig. Vor allem Frauen sind regelrecht dahinvegetiert. Ich war ihr einziger Kontakt“, sagt sie. Ihren Namen möchte sie, wie die meisten hier, lieber nicht nennen. Sie sorgen sich darum, wie ihr derzeitiger Vermieter auf die Pläne reagieren könnte. Doch auch diese Frau, die jetzt allein lebt und früher immer in WGs gewohnt hat, möchte lieber wieder „zurück zu den Wurzeln“.
Eine andere Gleichgesinnte beklagt, dass sie sich jetzt zum Spazierengehen, Kochen oder Spielen immer längerfristig verabreden müsse. In einem Mehrgenerationenhaus sei so etwas spontaner möglich. „Außerdem möchte ich Dinge teilen: mein Auto oder auch die Waschmaschine.“ Nachhaltigkeit ist deshalb ein wichtiger Aspekt des Konzeptes. Dabei geht es nicht nur darum, materielle Ressourcen zu teilen, sondern auch Talente und Fähigkeiten auszutauschen.
20 bis 30 Bewohner sollen dort leben
Bis zu 15 Parteien sollen in dem Mehr-Generationen-Haus Platz finden, also insgesamt etwa 20 bis 30 Bewohner. Dafür seien rund 1000 m² Wohnfläche nötig. Geplant sind barrierefreie Wohnungen für Familien und Paare sowie eine Art WG für Singles, in der jeder seinen eigenen Bereich mit Bad und Mini-Küche haben soll, aber auch eine Gemeinschaftsfläche. Die könnten natürlich auch die anderen nutzen.
„Wir haben uns schon vieles angeschaut. Das Passende war noch nicht dabei.“ Sie könnten sich auch vorstellen, in eine alte Schule oder ein Gemeindehaus zu ziehen. Oder eben neu zu bauen. Das Grundstück dafür sollte etwa 1500 bis 2000 m² groß sein. Das Geld dafür hätten sie schon zusammen. Ein gewisses Startkapital sollten Interessierte also mitbringen. Eine Arbeitsgruppe kümmert sich eigens um die Finanzen, eine andere um das Thema Architektur, Mobilität oder Interessentenbetreuung.
Zentral und trotzdem ruhig gelegen
Die Wunschliste mit weiteren Punkten, wie das zukünftige Zuhause aussehen soll, ist übrigens noch länger: Es soll zentral und trotzdem ruhig gelegen sein, mit Grünfläche, guter Infrastruktur und Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. An jenem Ort, wo auch immer er sein wird, wollen sie sich aber nicht abschotten, sondern „ins Quartier hineinwirken“.
Auch über verschiedene Rechtsformen hat sich die Planungsgemeinschaft schon Gedanken gemacht. Eine Genossenschaft wäre möglich oder eine Eigentümergemeinschaft. Einen Vertrag für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) haben sie bereits ausgearbeitet und prüfen lassen. Unter Umständen käme auch ein Investor in Frage. „Aber grundsätzlich bestimmen wollen wir – etwa, wer einzieht.“ Die Nationalität, die Konfession oder ein Handicap spiele keine Rolle. „Nur menschlich muss es passen.“
Wunsch nach mehr Unterstützung
Die Planer des Projekts „Wohnen-in-Gemeinschaft Witten“ (WinG-Wit) haben sich über Mehr-Generationen-Häuser in anderen Städten informiert und festgestellt, dass man dort besser auf solch ein Konzept eingestellt sei.
In Bochum etwa gebe es einen Ansprechpartner speziell für derartige Anliegen. In Hattingen hat sich eine Wohnungsgenossenschaft als Investor für das Haus am Südring zur Verfügung gestellt.
Frank Nolte vom Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte sieht das kritisch. „Wir würden lieber selbst so etwas machen“, sagt er – doch dafür fehle bei den derzeitigen Aktivitäten die Zeit. Außerdem stellt sich für ihn die Frage, ob sich Mehr-Generationen-Wohnen wirklich auf ein Gebäude konzentrieren müsse. „Wir machen schon viel, was dieser Art zu leben sehr nahe kommt.“
Wohnungsgenossenschaft mischt Wohnungsgrößen
So biete die Wohnungsgenossenschaften in ihren Quartieren möglichst auch eine Kita an. Und bei Neubauten – wie etwa in Vormholz – werden kleine und große Wohnungen gemischt. So können Einzelpersonen, aber auch Familien dort leben.
Die Wittener Planer würden sich dennoch mehr Unterstützung für ihr Wohnprojekt wünschen, etwa bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück. „So ein Haus wäre doch das Tüpfelchen auf dem i für die Ruhrstadt“, finden sie.
Wer sich für das Wohnprojekt interessiert, findet Infos auf: wohnprojekte-portal.de und unter 0157-36 51 50 43 (U. Brenscheid).