Witten. Mit Blick auf explodierende Preise appellieren die Stadtwerke Witten dringend Energie zu sparen. Das Ausmaß der Krise sei vielen nicht bewusst.

„Sparen Sie privat so viel Energie wie möglich!“ Diesen dringenden Appell richtet Markus Borgiel von den Stadtwerken an alle Wittenerinnen und Wittener. Denn das sei die einfachste – und effektivste – Möglichkeit, den eigenen Geldbeutel angesichts explodierender Gas- und Strompreise zu entlasten. Es sei zwar zu den meisten Menschen durchgedrungen, dass Heizen und Co. teuer werden – nicht aber das Ausmaß.

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„Das schaffen wir nur alle zusammen, es bringt nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen“, sagt der Prokurist des städtischen Versorgers. Das Problem: bislang werde über die steigenden Preise zwar viel geredet und geschrieben. Angekommen seien sie bei den allermeisten Endverbrauchern aber noch nicht. Auf dem Konto merkt man also die gestiegenen Kosten fürs Heizen noch nicht. „Aber die werden schlagartig Ende des Jahres anfallen“, warnt Borgiel.

„Solche Preissprünge haben wir in den letzten Jahrzehnten nicht erlebt“

Deshalb hat sich der städtische Versorger bereits mit sozialen Institutionen an einen Tisch gesetzt, um mögliche Lösungen für finanziell benachteiligte Bürgerinnen und Bürger zu finden. Sozialamt, Verbraucherzentrale, der Fachbereich Soziales und Gesundheit des EN-Kreises und das Jobcenter berieten mit den Stadtwerken über die anstehenden Herausforderungen – mit ernüchterndem Ergebnis. Derzeit sehe man nur wenig Handlungsmöglichkeiten, resümiert Borgiel das Treffen. Daher hoffe man auf weitere Hilfspakete des Bundes.

Wollen vorbereitet sein, auf die anrollende Energiepreiswelle vlnr: Stella Hellwig (Stadtwerke) Sven Schmidtke (Stadtwerke), Verena Güdding (Jobcenter EN-Kreis), Oliver Schloßer (Stadtwerke), Bettina Salcuni (Sozialamt der Stadt Witten), Thomas Grund (Fachbereich Soziales und Gesundheit des EN-Kreises), Kolja Ofenhammer (Verbraucherzentrale), Markus Borgiel (Stadtwerke).
Wollen vorbereitet sein, auf die anrollende Energiepreiswelle vlnr: Stella Hellwig (Stadtwerke) Sven Schmidtke (Stadtwerke), Verena Güdding (Jobcenter EN-Kreis), Oliver Schloßer (Stadtwerke), Bettina Salcuni (Sozialamt der Stadt Witten), Thomas Grund (Fachbereich Soziales und Gesundheit des EN-Kreises), Kolja Ofenhammer (Verbraucherzentrale), Markus Borgiel (Stadtwerke). © Stadtwerke

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„Das wird für uns alle kein Zuckerschlecken“, sagt der Prokurist und Hauptabteilungsleiter für Vertrieb und Beschaffung. Wer heute noch 200 Euro zahlt, müsse in Zukunft mit 350 oder sogar 400 Euro monatlich rechnen. „Es wird für alle Menschen horrend teuer.“ Deutlich mehr Menschen würden künftig Probleme haben, ihre Energiekosten zu bezahlen. Und auch die Summen werden ganz andere sein. „Solche Preissprünge wie jetzt haben wir in den letzten Jahrzehnten in der Energiebranche nicht erlebt.“

Stadtwerke raten, Abschläge deutlich zu erhöhen

Aber es werde vor allem einkommensschwache Gruppen hart treffen. Auch deshalb und weil der Staat nicht alles wird auffangen können, rät der Energieexperte dazu, selbst so viel wie möglich zu tun. Neben einem sparsamen Verhalten sollten Endverbraucher spätestens jetzt die eigenen Abschläge freiwillig erhöhen. „So spart man quasi im Sommer schon für den Winter“, sagt Borgiel. Dabei würde eine leichte Erhöhung bei Weitem nicht ausreichen. Borgiel empfiehlt, die Abschläge für Energie um durchschnittlich 60 Prozent heraufzusetzen: 20 bis 30 Prozent bei Strom, 70 bis 80 Prozent beim Gas.

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Das sind auch die Preissprünge, auf die sich Stadtwerke-Kunden mit auslaufenden Verträgen einstellen müssen. Konkret treffen wird das im letzten Quartal 2022 rund 10.000 Gas- und 20.000 Stromkunden, deren Verträge zwischen Oktober und Dezember erneuert werden müssen. Je nach vorhergehendem Vertrag könnten sich die Abschläge auch mehr als verdoppeln, so Borgiel.

Ungewisser Blick in die Zukunft

Ob diese Prognosen allerdings im November oder Dezember noch stimmen und wie hoch konkret der Preis pro Kilowattstunde sein wird – unvorhersehbar. „Wir leben in einer sehr unsicheren Phase. Das heute gesprochene Wort kann morgen schon überholt sein“, sagt Borgiel. Und auch sonst ist der Blick in die Zukunft düster.

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Denn ob Russland nach dem Ende der Wartungsarbeiten an Nordstream 1 wieder Gas nach Europa fließen lassen wird, ist derzeit alles andere als gewiss. „Dann wird es interessant“, sagt Borgiel. Mit 40 Großkunden aus der Industrie, die im Falle eines Gas-Notstandes als erste vom Netz gehen müssten, ist das Unternehmen schon seit längerem im Austausch.