Witten. Steigende Preise bringen immer mehr Menschen auch in Witten in Bedrängnis. Die Schuldnerberatung der Diakonie meldet lange Wartezeiten.

Ob Heizen, das Brot vom Bäcker oder der Friseurbesuch: Das Leben an sich hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten verteuert. Besonders Haushalte, die bislang gerade so über die Runden gekommen sind, bekommen das zu spüren. Und die gestiegenen Lebenshaltungs- und Heizkosten bringen zunehmend mehr Menschen in finanzielle Bedrängnis. Die Schuldnerberatung der Diakonie Mark-Ruhr, zu der auch Witten gehört, schlägt deshalb Alarm.

Auch interessant

Die Nachfrage nach Beratungsgesprächen steige derzeit vor allem gegenüber dem Vorjahr merklich an, heißt es aus der Zentrale in Hagen. Als Folge werden auch die Wartezeiten auf einen Termin immer länger. Nach eigenen Angaben bemüht sich die Diakonie zwar darum, so schnell wie möglich zu helfen und erste Vorgespräche zu führen. Eine intensive Insolvenzberatung könne derzeit aber beispielsweise erst in mehreren Monaten stattfinden.

Schuldnerberatung Witten erwartet Ansturm nach Jahresendabrechnungen

Auch die Beratungsstelle an der Röhrchenstraße in Witten spürt die veränderten Rahmenbedingungen. Bis Mai sei die Zahl der Hilfesuchenden schon merklich angestiegen, sagt Beraterin Gundula Beckmann. Auf die richtige Welle wartet man aber noch. „Ich fürchte, wenn die Jahresendabrechnungen für Strom und Gas eintreffen, wird einiges auf uns zukommen.“ Bislang haben rund 4,5 Prozent der Menschen, die in Witten bei der Diakonie Hilfe suchen, Schulden bei ihrem Energieversorger. Doch diese Zahl werde wohl deutlich nach oben gehen.

Auch interessant

330 Menschen aus Witten sind derzeit bei der Schuldnerberatung als Kunden gelistet. Im Vorjahr waren es 310 Männer und Frauen, die sich wegen Überschuldung oder Insolvenz beraten ließen, 2020 waren es „nur“ 264.

Klienten können alte Kredite nicht mehr bedienen

Häufig komme es nun aber vor, dass Menschen vor ihr sitzen, die alte Kredite nicht mehr bedienen können – weil nach den Ausgaben für das tägliche Leben nicht mehr genug für die fälligen Raten übrig ist. „Dass wir Stundungsschreiben an Gläubiger aufsetzen müssen, hat zugenommen“, so Beckmann. In einem solchen Schreiben informiert die Diakonie die Unternehmen, bei denen die Menschen Schulden haben, darüber, dass die Person zahlungsunfähig ist – verbunden mit der Bitte um Aufschub der Raten. „Oft geht das für sechs oder zwölf Monate“, so die Beraterin. Auch ein Vergleich sei je nach Fall möglich. Dann wird etwa die Höhe der Raten heruntergesetzt.

Auch interessant

Wie nicht anders zu erwarten, trifft aber die Verteuerung des Lebens die Klienten der Schuldnerberatung besonders hart. „Viele müssen etwa mit dem Auto zur Arbeit fahren und machen sich große Sorgen, an welcher anderen Stelle sie einsparen könnten“, erzählt Beckmann aus ihrem Beratungsalltag. Viele würden den Hebel bei Lebensmitteln ansetzen, etwa ganz bewusst weniger oder nur noch beim Discounter kaufen. „Wir müssen auch vermehrt Kontakt zur Tafel vermitteln“, so Beckmann. Ein anderer Klient, der täglich nach Düsseldorf pendelt, erwäge sogar einen Umzug – um die wöchentlich 150 Euro Spritkosten zu sparen.

Im vergangenen Jahr waren in Witten laut dem Schuldner-Atlas Deutschland 9271 Wittenerinnen und Wittener überschuldet. Es gelang also knapp elf Prozent aller Einwohner über 18 Jahren dauerhaft nicht, mit ihren monatlichen Einnahmen ihre Ausgaben zu decken. Im zweiten Coronajahr war die Zahl der Schuldner sogar entgegen den Erwartungen gesunken. In diesem Jahr wird sich der Trend wohl umkehren.