Witten. Als Mittel gegen Starkregen ist ein erstes Bauprojekt in Witten fast abgeschlossen: die Renaturierung des Kamperbachs. Es folgen weitere Bäche.
Wer zurzeit auf der Wittener Straße von Witten-Herbede nach Hattingen fährt, staunt nicht schlecht. In den Wiesen zwischen Metallhändler Bötzel und Straße schlängelt sich idyllisch der Kamperbach. Bislang verlief das Gewässer unterirdisch oder in einem Straßengraben. Diese Renaturierung ist Muster für viele Bauarbeiten an Gewässern, die in den nächsten Jahren in Witten folgen werden.
Erst seit 2020 gibt es bei der ESW (Entwässerung Stadt Witten) eine eigene Abteilung für den Gewässerausbau und deren Unterhaltung. Die vier Mitarbeiterinnen sollen Wittens Bäche vor allem für Starkregenereignisse wappnen. Dringend notwendig war dies am Kamperbach.
Irgendwann wurde ein Regenrückhaltebecken in der Kämpenstraße zugebaut, der Kamperbach verlief in einem viel zu schmalen Rohr durch das Industriegebiet zwischen A 43 und Haus Kemnade. Die Folge: Zweimal stand das Gelände in den letzten vier Jahren unter Hochwasser.
Planungen für Bach-Verlegung in Witten-Herbede laufen seit 2009
Die Planungen laufen bei der zuständigen Unteren Wasserbehörde des EN-Kreises schon seit 2009. Seit 2020 buddelt die ESW, erst im Bereich Kämpenstraße, seit Januar 2022 am offenen Bachlauf. Die Baukosten von 5,4 Millionen Euro werden über Fördermittel des Landes für den Hochwasserschutz finanziert. In vier bis acht Wochen, schätzt ESW-Chef Rainer Gerlach, ist die Baustelle beendet.
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Noch aber ist der Bach nicht an sein neues Bett angeschlossen. Das Gewässer unterquert auf 300 Metern in einem großen Rohr von der Kämpenstraße aus die Wittener Straße. Dort kommt er „in den Därmannschen Wiesen“ an die Oberfläche, fließt durch die renaturierte Fläche, entlang des Radweges der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr und mündet in den Ruhrwiesen.
Fließgeschwindigkeit verringern
Das künftige Prinzip heißt: Das Wasser bekommt mehr Platz, soll mehr Zeit an der Oberfläche verbringen und langsamer in die Ruhr geleitet werden. Das gelingt zum einen, indem der Kamperbach durch die Wiesen mäandert, also in breiter Bachsohle und großen Bögen fließt. Steinbrocken, sogenannte Störsteine, bremsen dabei die Fließgeschwindigkeit.
Der Deich in Richtung Straße wurde zudem höher gebaut als der in Richtung Wiese. Es gibt auch eine „Flutmulde“. Bei hohem Wasserstand kann sich das Gewässer verbreitern.
Bei starkem Regen halten drei große Staubecken das Wasser zurück – das Regenrückhaltebecken unterhalb der Autobahnbrücke und zwei „naturnahe Versickerungsbecken“. Das eine ist dabei als Biotop angelegt und bepflanzt. In dem Feuchtgebiet, beschattet durch die Wasserpflanzen, tummeln sich bereits jetzt allerhand Insekten und Amphibien.
Das Bachbett ist zurzeit mit Matten gesäumt. Sie tragen Rasensamen in sich. „Die Matten werden verrotten, aber die Gräser irgendwann das Ufer festigen“, erklären Franziska Loos und Janina Stauch, die für die ESW das Projekt begleiten.
„Bestmöglichen Hochwasserschutz umgesetzt“
Für den Landwirt Därmann wurden sogar zwei Brücken angelegt, damit er sein Feld mit schwerem Gerät bewirtschaften kann. Es gibt ein höher angelegtes „Heulager“. Und ein zweiter Hügel fällt auf. „Dort ist japanischer Staudenknöterich vergraben“, erklärt Loos. Der Boden, der mit dieser sich stark verbreitenden Pflanzenart „durchseucht“ ist, ist nicht ohne Weiteres zu entsorgen.
Einige Gewerbetreibende kritisieren diese Art des Hochwasserschutzes. Rainer Gerlach dagegen ist überzeugt: „Wir haben hier den bestmöglichen Hochwasserschutz umgesetzt.“ Die Wassermenge im Kamperbach werde sogar sinken, weil das Abwasser von der bald sanierten Wittener Straße nicht mehr hineingeleitet wird. Trotzdem: „Das ist nun mal das Überflutungsgebiet der Ruhr.“
Einige andere feiern den neuen Gewässerlauf bereits. Bei der Begehung fällt einem viel Kot an den Bachufern auf. Woher der kommt? „Nutrias“, sagt Franziska Loos. „Die lieben offenbar den neuen Kamperbach.“
Pferdebach und Wannenbach folgen
In den nächsten Jahren wird die ESW „mehrstellige Millionenbeträge in den Gewässerschutz investieren“, so Rainer Gerlach. Nicht immer lässt sich der Hochwasserschutz dabei so gut umsetzen wie in West-Herbede – einfach, weil kein Platz ist.
Ganz oben auf seiner Liste stehen Pferdebach und Wannenbach, die Witten quasi von Nord nach Süd durchfließen, auf fast immer zugebautem innerstädtischen Gelände. Wie eine gelungene Bach-Renaturierung aussieht, könne man am Steinbach nahe dem Freibad Annen sehen. Der Fußweg durch das Steinbachtal ist beliebt, er erhält in Kürze drei neue Holzbrücken.