Witten. Angesichts des Ukraine-Kriegs fällt die Freude auf Ostern schwer. Pastor Christian Gröne aus Witten erklärt, warum wir dennoch feiern können.

Corona ist noch nicht vorbei. Und nun herrscht auch noch Krieg mitten in Europa. Die Freude aufs Osterfest fällt daher verhalten aus. Der katholische Pastor Christian Gröne (59) aus Stockum erklärt im Interview, warum Christen in diesen Zeiten dennoch nicht die Hoffnung verlieren und warum wir uns das Osterfrühstück trotz allem schmecken lassen dürfen.

Pfarrer Gröne, mal ganz ehrlich: Können Sie sich in diesem Jahr aufs Osterfest freuen?

Das hat für mich zwei Seiten. Einerseits ist es der höchste und wichtigste Feiertag, letztlich der Grund dafür, warum es das Christentum überhaupt gibt. Ostern ist das Urdatum des christlichen Glaubens. Andererseits bedrückt uns diesmal noch mehr als in den letzten zwei buchstäblich verrückten Jahren die Sorge um die Ukraine, das Leid der Menschen im Krieg. Meine Generation hatte ja gedacht, mit der Wiedervereinigung hätte eine bessere Zeit begonnen. Nun machen wir eine Erfahrung, wie es sie hier seit 1945 nicht mehr gab.

Können wir denn in dieser Situation überhaupt Ostern feiern und die Passionszeit beenden, die als Zeit der Buße und Besinnung gilt, die Erlösung von Sünde und Tod durch den gekreuzigten Jesus bedeutet und am Karfreitag ihren Höhepunkt erreicht?

Im Grunde genommen ist Passionszeit ja immer, so lange wir leben. Es gibt so viele Arten, wie Menschen zu leiden haben. Aber Ostern zu feiern, heißt ja nicht, das Leiden auszublenden. Zu sagen, Schwamm drüber, wird schon nicht so schlimm sein. Sondern vielmehr zu feiern, dass Gott uns durch den Tod hindurch ein neues Leben schenkt.

Die Auferstehung...

Ja, und Auferstehung meint nicht Wiederbelebung. Nicht das Herstellen früherer Zustände, sondern etwas völlig Neues jenseits des Todes. Für immer bei Gott zu sein.

Das ist die theologische Begründung. Aber ganz praktisch: Ist es angemessen, in diesen Zeiten zu feiern und zu schlemmen?

Ja, das ist dann angemessen, wenn bei aller Freude die Situation der Leidenden nicht vergessen wird. Ich kann mir den Osterbraten gönnen, wenn ich ihn auch denen gönne, die ihn sich nicht leisten können. Das heißt: Teilen, abgeben.

Wird ihr Ostergottesdienst denn in diesem Jahr anders sein als sonst?

Meine Predigt wird sicher verhaltener sein als sonst. Weil das unsagbare Leiden der Menschen viel stärker an uns herangerückt ist. Mir persönlich ist dadurch viel bewusster geworden, wie unbeschreiblich es ist, dass wir Ostern von einer Hoffnung reden, gegen die doch so vieles in der Welt spricht. Und die Zweifel daran kenne ich auch nur zu gut.

Zur Person

Pastor Christian Gröne ist seit Dezember 2016 im Dienst. Zuvor war er als Stadtdechant in Herne tätig.

Der 59-Jährige lebt in der Maximilian-Kolbe-Gemeinde in Stockum, ist aber für den ganzen Pastoralen Raum Witten im Einsatz.

Sie verzweifeln also selbst manchmal in dieser Situation?

Nein, zweifeln ist etwas anderes als verzweifeln. Verzweifeln heißt untergehen. Mich trägt aber ein Funke Hoffnung. „Hoffnung gegen alle Hoffnung“, sagt Paulus. Das bringt es wunderbar auf den Punkt. All dem Schrecklichen, den Gräueltaten setzen wir mit der Osterbotschaft ein „dennoch“ entgegen. Wenn auch manchmal kleinlaut und zaghaft. Aber ich werde mich bemühen, an Ostern noch stärker als sonst den Menschen mitzugeben: Der Tod wird nicht das letzte Wort behalten.

Wie erleben Sie denn in diesen Tagen die Stimmung in ihrer Gemeinde?

Die Menschen sind von der Rolle. Der Krieg ist Thema Nummer eins. „In was für Zeiten leben wir?“ Das höre ich immer wieder. Doch es ist nicht nur der Krieg, es ist die Summe von Dingen. Corona kommt dazu. Die jungen Menschen machen sich zudem massiv Sorgen wegen des Klimawandels. Und dann muss man auch das Desaster in der katholischen Kirche ansprechen, den Missbrauchs-Skandal. Wir haben viele Problemberge.

Christian Gröne ist Pastor in der katholischen Gemeinde St.-Maximilian-Kolbe und für den Pastoralen Raum Witten zuständig.
Christian Gröne ist Pastor in der katholischen Gemeinde St.-Maximilian-Kolbe und für den Pastoralen Raum Witten zuständig. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Viele Menschen haben sich deswegen von der Kirche abgewandt.

Ja, wegen der Skandale, aber auch wegen des Reformstaus. Leider auch einige, die engagiert waren. Mittendrin.

Wie können Sie da gegensteuern?

Einfach, indem wir stärker als bisher füreinander da sind, Solidarität üben. Aber wenn die Kirche dazu bestimmt ist, künftig kleiner zu sein als bisher, dann ist das so. Das wird nicht der Untergang des Christentums sein.

Solidarität üben: Gibt das Menschen auch jetzt in der Krise Halt?

Ja, die Sorge füreinander ist hilfreich. Miteinander sprechen. Aneinander denken. Weg von der Ich-Bezogenheit hin zum Gegenüber. Die Hilfsbereitschaft. Was im Kleinen passiert, zählt dabei oft mehr als große Gesten. Nicht fromme Sprüche klopfen, sondern etwas tun. Nur so kann Glaubwürdigkeit entstehen.

Tut die Kirche selbst denn genug?

Genug ist ja so eine Sache. Es geht immer noch mehr – und wäre auch dann nicht genug. Aber es wird ja eine Menge auf die Beine gestellt. Die vielen Hilfsaktionen zum Beispiel, die Spendenaktionen. Zu Beginn des Krieges hatten wir eine spontane Kollekte für Lemberg. Es kamen 20.000 Euro zusammen.

Aber müsste die Kirche nicht noch stärker Position beziehen, so wie mit einer Papstreise nach Kiew etwa?

Das wäre wirklich ein unheimlich starkes Zeichen, zumal die russisch-orthodoxe Kirche gerade keine rühmliche Rolle spielt.

Zum Abschluss nur noch die Frage: Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die Feiertage?

Ich glaube, es ist gut, dass wir Ostern feiern. Weil es uns stark macht, etwas gegen die Not in der Welt aufzubauen, im Großen wie im Kleinen. Denn wir haben Hoffnung – trotz allem.