Oberhausen. In Oberhausen ist ein eindeutiger Trend zu erkennen: Immer mehr Menschen wollen aus der Kirche austreten. Es braucht allerdings Geduld und Geld.
Wer in Oberhausen die Kirche verlassen möchte, muss sich gedulden: Neue Termine für einen Austritt stehen beim hiesigen Amtsgericht frühestens im Mai 2022 wieder zur Verfügung. Seit mehr als einem Jahr ist an den Amtsgerichten kaum ein Termin für einen Kirchenaustritt zu bekommen – vor allem wegen der Sexualverbrechen katholischer Priester an Kindern und deren Vertuschung durch die Kirchen-Funktionäre dürfte es zunehmend mehr Christen drängen, ihre Kirche zu verlassen.
Die nächsten Online-Buchungen in Oberhausen sind zwar ab dem 1. März möglich, freigeschaltet werden aber nur Termine für drei Monate im Voraus. Da der März und April schon völlig ausgelastet sind, bleibt dann einzig der Mai übrig. Der Andrang sei aktuell „stark ansteigend“, heißt es auf Anfrage der Redaktion aus dem Amtsgericht am Friedensplatz 1. Im Januar 2022 hatten sich 102 Oberhausenerinnen und Oberhausener aus der Kirche verabschiedet, im Februar kamen allein bis zum 10. des Monats 60 weitere Austritte hinzu. Beim Amtsgericht können Mitglieder von christlichen als auch jüdischen Religionsgemeinschaften austreten.
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Ein Trend, der an Fahrt aufnimmt: 2021 verließen bereits 155.000 Christen die NRW-Kirchen und sorgten damit für einen neuen Höchstwert. Der Rekord von 2019 wurde dabei um 30 Prozent übertroffen. Zum ersten Mal wurde diese Statistik vor elf Jahren erhoben. In Oberhausen gab es 2021 insgesamt 1176 Kirchenaustritte – ebenfalls ein Spitzenwert im Vergleich der Zahlen in den vergangenen fünf Jahren. Die jeweilige Konfession, also ob jemand aus der katholischen oder evangelischen Kirche austritt, wird statistisch nicht erfasst.
Alternativ kann der Kirchenaustritt bei einem Notar erfolgen
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Ein Kirchenaustritt ist mit Kosten verbunden. Im Amtsgericht wird dafür eine Gebühr von 30 Euro pro Person fällig. Die Wahl des Gerichts ist dabei vom Erstwohnsitz abhängig. Oberhausener müssen also nach Alt-Oberhausen (Friedensplatz 1) fahren, um ihre Erklärung vor Ort abzugeben. Denn: Ein schriftlicher Austritt ist nicht möglich, die Erklärung muss höchstpersönlich erfolgen – auch eine Bevollmächtigung ist nicht zulässig.
Die dafür notwendigen Unterlagen sind überschaubar: Ein gültiger Personalausweis oder Reisepass mit Meldebescheinigung müssen vorgelegt werden – auch Angaben zur Person werden abgefragt. Eine Begründung für den Austritt ist aber nicht nötig. Minderjährige können ab dem 14. Lebensjahr ihren Austritt selbst erklären – und das sogar gegen den Willen ihrer Eltern.
Umfrage: Umgang mit Missbrauch als häufigster Austrittsgrund
28 Prozent der Deutschen in der katholischen oder evangelischen Kirche ziehen einen Austritt in Betracht. Das ergab eine Umfrage des Forschungsinstituts YouGov aus dem März 2021. Männer machten diese Aussage häufiger (35 Prozent) als Frauen (23 Prozent).Als Grund für einen Austritt wurde der intransparente Umgang der Kirche mit Missbrauchsvorwürfen am häufigsten (39 Prozent) genannt. Unter den ersten drei Ursachen folgten: nicht übereinstimmende kirchliche Moral- und Gesellschaftsvorstellungen (38 Prozent) und das Zahlen von Kirchensteuern (31 Prozent).
Alternativ zum Amtsgericht kann der Austritt bei einem Notar erfolgen. Dafür wird in der Regel erst einmal ein persönlicher Termin vereinbart, die Austrittserklärung kann dann vorab oder vor Ort unterschrieben werden – der Notar beglaubigt die Unterschrift. Das Amtsgericht weist jedoch darauf hin, dass hier weitere Kosten anfallen könnten. Die Gebühren sind bundesweit einheitlich durch das Gerichts- und Notarkostengesetz festgelegt und liegen zwischen 20 und 70 Euro, wie die Rheinische Notarkammer auf Anfrage erklärt. Abhängig sei die konkrete Summe von der ersparten Kirchensteuer (Geschäftswert), zusätzlich kommt die Umsatzsteuer und die Gerichtsgebühr (30 Euro) hinzu. Wer sparen möchte, sollte das Papier selbst zum Gericht schicken, sonst können noch einmal 20 Euro extra anfallen.
Nach dem Austritt informiert das Amtsgericht die Stadt- oder Gemeindeverwaltung – diese schickt die Daten an die Finanzverwaltung, um den Lohnsteuer-Abzug entsprechend anzupassen.