Witten. Viele Tierarztpraxen in Witten sind im Dauerstress und haben kaum noch freie Termine. Das sind die Gründe für die angespannte Situation.
Viele Tierarztpraxen stehen kräftig unter Druck. in Zeiten der Pandemie haben sich mehr Leute ein Haustier zulegt. Damit sind auch Behandlungstermine viel stärker gefragt. Zugleich hat der Berufsstand mit einem Problem zu kämpfen: Es fehlt an Medizinern.
Wittener Tierärztin geht auf Fragen zur Erziehung des Vierbeiners ein
Seit der Corona-Zeit werden die Praxen regelrecht überrannt, sagt Dr. Katrin Budde. Die Zahl der Haustiere sei zwar auch schon vorher gestiegen, seit Beginn der Pandemie erlebe man einen regelrechten Schub. Hund, Katze oder Vogel müssen natürlich untersucht werden, so die Ärztin. Doch bei manchen Terminen zeige sich schon nach gleich zu Beginn, dass es den Besitzer aus einem ganz anderen Anlass in die Praxis drängt. Sie erlebt es fast täglich. Da erzählt der Hundehalter, der Vierbeiner verhalte sich auffällig, manchmal aggressiv. Die Schwierigkeiten seien auch schon gleich nach dem Kauf aufgetaucht seien. Allein schon „Sitz“ und „Platz“ beizubringen, sei nicht recht gelungen.
Für solche Besitzer habe sie natürlich ein offenes Ohr, auch wenn es weniger um medizinische als um Erziehungsfragen gehe. Gemeinsam überlegen man, wie es nun mit dem neuen Familienmitglied weitergehen soll. Häufig rate sie am Ende, eine Hundeschule oder einen Hundetrainer aufzusuchen. Um auf Nummer sicher zu gehen, kläre sie allerdings ab, ob das Tier unter Schmerzen oder einer Fehlfunktion der Schilddrüse leide und sich deshalb auffällig sei.
Medizinerin rät beim Kauf von Tieren aus Südosteuropa zur Vorsicht
Dass der Besuch in der Tierarztpraxis wiederum Geld kostet und überhaupt Haustiere zusätzliche Ausgaben verursachen, machen sich manche Leute vor dem Kauf nicht wirklich bewusst, so Budde. Besonders teuer kann es bei Hunden aus Süd- oder Südosteuropa werden. Sie leiden meist unter einer der lebensbedrohlichen Mittelmeerkrankheiten, sind nicht geimpft, haben ihr Leben bislang in unhaltbaren Zuständen verbracht: zu enge Käfige mit zu vielen Tieren, fehlende oder schlechte Nahrung. Bei einer Reihe von Organisationen, die Tiere im Internet anbieten, stecken Händlerringe dahinter, so Budde „Die setzen auf die Mitleidsmasche und bewegen Menschen zum Kauf.“ Sie rät zur Vorsicht und mahnt, sich vorher eingehend zu informieren, sei es in einer Tierarztpraxis oder einem Tierheim.
Berufsstand beklagt die gedeckelte Anzahl an Studienplätzen
Wenn inzwischen die Praxen so stark belastet sind, liege in der hohen Zahl an Tieren nicht die alleinige Ursache, sagt Dr. Jochen Schulze-Lammers. Es fehle nun mal an Tierärzten. Seit Jahr und Tag sei die Zahl der Studienplätze gedeckelt und liege bei 1000 pro Jahr bundesweit. Ein Teil der Absolventen entscheide sich - auch noch mit Blick auf Verdienst und Arbeitszeiten - für eine Stelle bei einer Behörde oder einer Organisation statt freiberuflich tätig zu sein. Der Mediziner selbst „hat seine Wahl nicht bereut“. Wenn es heute eine Schattenseite gebe, dann handele es sich um den gestiegenen Aufwand an Büroarbeit.
Tierärzteverband fordert zusätzliche Studienplätze
Schon seit vielen Jahren „setzen wir uns für zusätzliche Studienplätze in der Tiermedizin ein“, sagt Dr. Edmund Bölling. Der Vorsitzenden des Verbandes der praktizierenden Tierärzte in Westfalen-Lippe sieht die Bundesländer in der Pflicht, die Voraussetzungen an den Hochschulen zu schaffen.
Heimische Tierärzte haben auch schon versucht, Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Zu ihnen gehört Katrin Budde. Doch das sei stets an formalen Vorgaben gescheitert, Ausbildungsabschlüsse wurden hierzulande nicht anerkannt, erklärt sie.
Allerdings sei er inzwischen 65 Jahre alt, möchte allmählich in den Ruhestand gehen. Doch bislang habe er noch keinen Nachfolger gefunden, der seinen Platz neben den beiden anderen Tierärzten in der Praxis einnehmen könnte, so Schulze-Lammers. Also mache er erst einmal weiter. Blickt er auf sein bisheriges Berufsleben zurück, findet er vor allem eines beeindruckend: Die Tiermedizin biete heutzutage so viele Möglichkeiten, dass dadurch eben auch mehr Tiere untersucht und behandelt werden können als früher.
Lob für den Einsatz vieler Tierhalter
Wie sehr sich der Großteil der Besitzer um ihre Haustiere kümmere, verdiene großes Lob und sei beeindruckend, sagt Dr. Bea Löhr aus der Tierarztpraxis Herbede, in der aktuell vier Medizinerinnen tätig sind. Das erlebe das Team immer wieder. Entsprechend umfangreich sei auch das Angebot an der Meesmannstraße, angefangen von Labordiagnosen über Ultraschalluntersuchungen bis hin zur Blutdruckmessung. Zudem gehöre auch alternativmedizinische Behandlungsformen zum Leistungsspektrum.
Die Forderung nach zusätzlichen Studienplätzen kann sie nur unterstützen. Das entsprechende Interesse an dem Beruf sei vorhanden, die Zahl der Bewerber liege deutlich höher als die der Plätze. Und der Bedarf unter den Tierhaltern sei ebenfalls gegeben.