Witten. Das Schiller hat einen neuen Direktor. Der Wittener ist an der Schule kein Unbekannter. Im Interview spricht er über Masken und Ameisen.
Das Schiller-Gymnasium hat wieder einen offiziellen Leiter: Christian Roussel, 49, arbeitet dort schon seit 18 Jahren als Lehrer. Nachdem er seine Ernennungsurkunde zum Direktor in Empfang genommen hatte, erwischte ihn gleich Corona. Deshalb kam er noch nicht dazu, sein Büro etwas persönlicher einzurichten. Das wird sich bald ändern, denn er liebt die Kunst. Am ersten Tag zurück in der Schule, fand der Wittener Zeit für ein Gespräch über Masken, die Nordeifel und Ameisen.
Herr Roussel, wie geht es Ihnen?
Christian Roussel: Ich habe die Infektion ganz gut überstanden, hatte keine allzu schweren Symptome.
Zwei Jahre Corona haben Sie als Lehrer in Witten schon miterlebt. Wie ist die Situation aktuell am Schiller?
Wir hatten noch nie so viele Erkrankte wie jetzt. Das ist eine ganz andere Dimension als zuvor.
Wie beurteilen Sie den Wegfall der Maskenpflicht ab diesem Montag?
Es ist zwar nicht schön, in Maskengesichter zu schauen. Trotzdem bin ich überhaupt nicht glücklich mit der neuen Regelung. Denn eigentlich müsste man jetzt auch die Quarantänevorgaben anpassen. Zuletzt galt ja: Wer in der Nähe eines Infizierten saß, musste nicht zuhause bleiben, weil er Maske trug. Ich glaube aber, dass die meisten weiter freiwillig einen Mundschutz tragen werden. Keiner will doch die Osterferien oder seine Abiprüfungen gefährden.
Ihre 15-jährige Tochter geht auf dieselbe Schule wie der Papa. Klappt das?
Ich habe keinen Unterricht bei ihr, deshalb ist das für mich kein Problem. Für sie mag das nicht so einfach sein, dass ich jetzt die Schule leite. Aber sie hat nicht viel dazu gesagt, nur gefragt, ob ich dann noch mehr arbeiten müsste. Ich kenne die Situation selbst ganz gut. Meine Eltern waren Lehrer und ich war auch Schüler an der Schule meines Vaters.
Kommen Sie aus Witten?
Nein, aus der Nordeifel. Aus Heimbach, der kleinsten Stadt in NRW. Ich habe in Köln und Berlin studiert, war 2004 fertig und dann hat es mich bald nach Witten ans Schiller-Gymnasium verschlagen. Ich habe mich hier von Anfang an sehr wohl gefühlt. Es ist eine tolle Schule mit einem tollen Kollegium.
Was macht einen guten Schulleiter aus?
Ich konnte in den Job reinwachsen, habe schon lange die Oberstufenkoordination gemacht, habe Erfahrung in der Zusammenarbeit mit anderen Schulen. Ich bin nicht konfliktscheu und jemand, der gerne im Team zusammen mit anderen neue Perspektiven entwickelt.
Zum Beispiel?
Ich würde gerne versuchen, eine internationale Klasse einzurichten, in der nicht nur ukrainische Flüchtlinge intensiv Deutsch lernen können. Weil im letzten Schuljahr die Anmeldezahlen nicht so gut waren, haben wir uns auch schon was überlegt und setzen noch mehr auf individuelle Förderung. Deshalb haben wir das AG-Angebot stark ausgebaut und merken: Die Schüler haben ein irrsinnig großes Bedürfnis, gemeinsam etwas mit anderen zu machen.
Was gibt’s da Schönes?
Die einen programmieren Mikrochips, die anderen entwerfen Farbkonzepte für öffentliche Bereiche der Schule. Auch die Trommel-AG kommt gut an.
Zweifacher Vater
Christian Roussel hat Deutsch und Pädagogik auf Lehramt studiert. Nach einer kurzen Station an einer Schule in Duisburg, lehrt er seit 18 Jahren am Schiller-Gymnasium.
Das Büro des neuen Direktors wird demnächst ein Plakat aus der „Punkte“-Serie des britischen Künstlers Damien Hirst zieren, das Roussel aus London mitgebracht hat.
Der 49-Jährige lebt mit seiner Familie an der Stadtgrenze Annen/Rüdinghausen. Er hat eine 15- und eine 18-jährige Tochter.
Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Digitalisierung, Diversität und Nachhaltigkeit. Die Technik ist ja inzwischen weit vorangeschritten. Unsere Kinder arbeiten ab der sechsten Klasse mit iPads. Das ist praktisch, denn sie müssen nicht mehr so viele Bücher schleppen. Aber wir achten auch darauf, dass sich keiner durch stundenlanges Vor-dem-Monitor-hocken isoliert. Cyber-Mobbing ist hier – wie an jeder Schule – ein Thema. Dagegen haben wir Regeln entwickelt. Niemand darf zum Beispiel andere mit dem iPad fotografieren. Zum Stichwort Diversität: Vielfalt schafft neue Impulse. Das lässt die jungen Menschen Fürsorge und Empathie mit anderen entwickeln.
Zum dritten Punkt: Wie nachhaltig ist das Schiller-Gymnasium schon?
Unser Neubau ist mit Photovoltaik bestückt. Daran haben die Schüler mitgewirkt. Viel mehr kommen inzwischen mit dem Rad zur Schule. Auch ich radele regelmäßig von der Stadtgrenze Annen/Rüdinghausen, wo wir wohnen, über den Rheinischen Esel in die City – obwohl ich jetzt immer zur ersten Unterrichtsstunde um 7.45 Uhr anfangen muss und nicht so der Frühaufsteher bin. Aber das macht mich wenigstens wach. Gerne würde ich „Energiewächter“ an der Schule installieren, die darauf achten, ob das Licht aus ist oder die Heizung runtergedreht wurde.
Sind Sie selbst eigentlich gerne zur Schule gegangen?
Ja. Deutsch, Kunst und Pädagogik waren meine Lieblingsfächer.
Warum wollten Sie Lehrer werden? Um in die Fußstapfen der Eltern zu treten?
Nein, Lehrer war gar nicht mein erstes Ziel. Ich hatte auch mal ein Praktikum bei einem Architekten gemacht. Das fand ich ebenfalls spannend. Außerdem habe ich parallel zum Lehramt noch Magister mit Nebenfach Kunstgeschichte studiert und nach dem Abschluss mal ein Jahr lang als Lektor in einem Kunstbuchverlag gearbeitet. Aber auf Dauer hat es mich mehr gereizt, mit Kindern zu arbeiten. Das hält jung.
Auf ihrem Schrank steht ein Foto von Ameisen, die eine Brücke bauen. Was hat es damit auf sich?
Das habe ich von der Elternschaft bekommen. Bei einer Sitzung sollte ich mal sagen, welches Tier ich gerne wäre. Das hat mich etwas überrascht und ich habe spontan Ameise gesagt. Aber das passt eigentlich doch ganz gut. Ameisen sind starke Teamplayer.