Witten. Vor genau zwei Jahren gab es den ersten Corona-Fall in Witten. Wie ist die Stadt bislang durch die Pandemie gekommen – und wo stehen wir jetzt?

Die Aufregung war riesig, als sich der Verdacht bestätigte. Eine 25-Jährige hatte sich im Skiurlaub in Österreich mit dem Corona-Virus angesteckt – als erste in Witten. Genau zwei Jahre ist das her – die Nachricht kam am 11. März 2020. Der Leiter des EN-Krisenstabs Michael Schäfer kann sich noch gut an die Situation damals erinnern. „Doch wie sich das dann entwickeln würde, das hat wirklich niemand von uns geahnt.“

Zwei Jahre sind ein Grund zurückzublicken – aber keiner, ein Fazit zu ziehen. „Wir sind noch mittendrin“, sagt Schäfer, der längst aufgehört hat, die Corona-Wellen zu zählen. Erst am Donnerstag (10.3.) gab es wieder einen neuen Rekord an Neuinfektionen in Deutschland, die Inzidenz in Land und Bund liegt über 1300. Im Vergleich dazu liege der Wert von 883 im EN-Kreis „am unteren Rand“ – aber auch hier steigen die Zahlen. Das liege an der aktuell vorherrschenden Virus-Variante vom Subtyp BA.2, die noch ansteckender sei als ihre Vorgänger, so Schäfer, aber wohl auch an den Lockerungen.

Wittener Fachärzte haben von Anfang an mitgeimpft

Dass der EN-Kreis mit seinen Inzidenz-Werten vergleichsweise gut dasteht, ist aber keine Momentaufnahme. „Wir hatten immer sehr gute Zahlen im Vergleich zu den Nachbarstädten, aber auch bundesweit“, erklärt Dr. Arne Meinshausen, Geschäftsführer der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW). Das komme nicht von ungefähr. „Der EN-Kreis hat während der Pandemie sehr umsichtig gearbeitet“, so Meinshausen.

Dr. Arne Meinshausen und die Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW) machten sich schon früh fürs Testen und Impfen stark.
Dr. Arne Meinshausen und die Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW) machten sich schon früh fürs Testen und Impfen stark. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Aber auch die erfolgreiche Impf-Kampagne in Stadt und Kreis habe dazu beigetragen. Dabei habe sehr geholfen, dass in Witten – anders als in anderen Städten – von Anfang an viele Fachärzte mitgeimpft hätten. „Das hat uns rasch nach vorne gebracht“, so der ÄQW-Sprecher. Auch die Impf-Aktion in den Heimen sei gut gelaufen. „Wir waren da sehr, sehr schnell, das hat uns sicherlich viele Tote erspart“, so der ÄQW-Sprecher. Die Zusammenarbeit mit dem Kreis habe dabei – nach anfänglichem Knatsch um den Standort des Impfzentrums – hervorragend funktioniert.

Impfung schützt vor schweren Verläufen, nicht vor einer Infektion

Doch er gibt auch zu: Seine große Hoffnung, mit einer hohen Impfquote könne die Pandemie gestoppt werden, habe sich nicht bewahrheitet. „Wir wissen jetzt: Man kann sich auch als Geimpfter infizieren. Das ist eine Enttäuschung“, so Meinshausen. Aber die Impfung schütze immerhin vor schweren Verläufen. „Und das tut sie wirklich.“

Dennoch rät er Menschen, die nicht zur Risikogruppe gehören, davon ab, sich jetzt schon ein viertes Mal impfen zu lassen. Der zweite Booster habe sich als nicht so erfolgreich erwiesen. „Daher sollte man besser abwarten, bis im Mai die Omikron-angepasste Variante auf den Markt kommt.“

Michael Schäfer, Leiter des Krisenstabs im Ennepe-Ruhr-Kreis, spricht von einer Flaute bei der Impfnachfrage.
Michael Schäfer, Leiter des Krisenstabs im Ennepe-Ruhr-Kreis, spricht von einer Flaute bei der Impfnachfrage. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Allerdings ist die Nachfrage nach Impfungen im Moment ohnehin nicht groß. Von einem drastischen Rückgang spricht Meinshausen, Krisenstabs-Chef Schäfer von „einer Flaute“. Die Zahlen der Erstimpfungen würden stagnieren, auch durch Novavax habe es keinen Zuwachs gegeben. „Es scheint, wer jetzt noch keinen Impfschutz hat, der hat wohl auch kein Interesse daran“, so Schäfer. Dabei gibt es bei den Zahlen durchaus noch Luft nach oben: Von den 320.000 Menschen im EN-Kreis sind inzwischen knapp 235.000 einmal geimpft worden, 194.000 haben drei Impfungen bekommen.

Zusammenarbeit mit Ministerien verlief unbefriedigend

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein Kraftakt. „Die Bewältigung der Pandemie war nur möglich, weil alle Mitarbeiter weit über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus mitangefasst haben“, lobt Schäfer. Das Miteinander mit Städten, Ärzten und Hilfsorganisationen habe gut funktioniert, so habe vieles spontan und unkompliziert auf den Weg gebracht werden können. Nicht so gut habe hingegen das Zusammenspiel mit den Ministerien funktioniert. Kurzfristige und nicht abgesprochene Maßnahmen hätten viel unnötige Arbeit verursacht, klagt Schäfer. „Ich wünschte, wir hätten stärker versucht, Einfluss aufs Land zu nehmen.“

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Vielleicht hat der Krisenstab im nächsten Herbst wieder Gelegenheit dazu. „Es werden sicher weitere Virus-Varianten kommen – und wir wissen nicht, ob sie schlimmer oder schwächer sind“, fürchtet Meinshausen. Schwarzmalen will er nicht. „Aber ich bin sehr skeptisch, dass wir im Herbst mit dem Thema Corona durch sind.“