Witten. In einer WhatsApp-Nachricht klagt Dr. Matthias Thöns angeblich über erlittene Impfschäden. Doch der Post ist gefälscht. Wer steckt dahinter?

Impfgegner machen Palliativarzt Dr. Matthias Thöns derzeit zu schaffen. Auf Facebook wird in seinem Namen eine Nachricht verbreitet, in der er angeblich über selbst erlittene Impfschäden klagt. Das sei eine frei erfundene Schwurbelmail, so der Wittener erbost. „So etwas ist rufschädigend.“

Eine Pflegerin im Altenheim St. Josef hatte ihn vor ein paar Tagen auf den Post aufmerksam gemacht. Darin heißt es, nach einer Booster-Impfung mit Biontech habe der Verfasser einen schweren Impfschaden erlitten. Seither leide er an einer Krankheit namens ITP – Immunthrombozytopenie –, müsse wöchentlich Blutwerte bestimmen lassen, Medikamente nehmen und sei immer in Gefahr zu verbluten.

Wittener Arzt nennt Nachricht „zutiefst unseriös“

Diesen Text hatte Thöns zuvor schon einmal unter einem seiner Post auf Facebook gesehen. Nun wurde offenbar eine Bildschirmkopie davon so als Foto zusammengeschnitten, dass es aussieht, als sei Thöns der Absender der WhatsApp-Nachricht. Und die macht nun offenbar die Runde – auch beim Pflegepersonal. „Eine Mitarbeiterin hat mich darauf angesprochen, aber wer weiß, viele es noch glauben und nichts sagen...“

Gefälschte Anzeige von Bestattungshaus

Die gefälschte Thöns-Nachricht ist offenbar kein Einzelfall. Auch in Hattingen hat ein Unbekannter hat einen Aufruf gegen die Corona-Impfung gestartet – mit dem Firmenlogo des Bestattungshauses Stratmann. „Bitte, lassen Sie sich unter keinen Umständen impfen“, steht in der gefälschten Anzeige, mit Firmenschriftzug, Adresse, Kontaktdaten.

Veröffentlicht wurde die gefälschte Anzeige in einer Hattinger Gruppe des Nachrichtendienstes Telegram. Firmen-Inhaberin Isabell Neumann hat daraufhin – anders als Matthias Thöns – Anzeige bei der Polizei erstattet. Doch die Ermittlungen gestalten sich als „schwierig bis gar unmöglich“, so Polizeisprecherin Sonja Wever. „Diese Nachrichtendienste kooperieren nicht mit der Polizei, sie sitzen ja auch nicht in Deutschland.“

Verhindern könne man solche Fake-Anzeigen kaum, erklärt Wever. Allerdings helfe es, aufmerksam zu bleiben. „Ich kann nur an den Verstand der Menschen appellieren, dass sie hinterfragen, ob ein Post echt oder falsch ist. Oft kann man das sehr gut erkennen.“ Und sie warnt davor, leichtfertig Bilder weiterzuleiten. Entdecke man einen Fake-Post, solle man diesen anzeigen.

Thöns betont, der Text sei erstens nicht von ihm verfasst worden und außerdem zutiefst unseriös. Eine ITP sei eine „super seltene Komplikation bei Impfungen mit Astra“, bei Biontech komme sie noch seltener vor. Noch unglaubwürdiger sei aber, dass der Verfasser in dem Text behauptet, er habe zwei Tage vor der Impfung seine Thrombozyten bestimmen lassen. „Das macht kein Mensch“, so der Arzt entschieden. „Ich frage mich, wer hat etwas davon, so einen Unfug zu verbreiten?“

Glaubwürdigkeit der Impf-Kritiker schwindet

Mit solchen Nachrichten solle zwar Stimmung gegen die Impfungen gemacht werden. „Aber mit diesen unsinnigen Schwurbelmails schießen sich die Impfgegner doch ins eigene Bein“, sagt der Schmerzmediziner. Denn mit jeder entlarvten Fake-Nachricht schwinde ein Stück Glaubwürdigkeit der Kritiker. „Gegen Impfungen zu sein ist ja durchaus nachvollziehbar, aber mit solchen unseriösen Aktionen machen die Gegner ihr Anliegen kaputt“, so Thöns.

Dr. Matthias Thöns ist ärztlicher Leiter des Corona-Testzentrums bei Ostermann. Doch längst nicht alle Corona-Maßnahmen hält er noch für angemessen.
Dr. Matthias Thöns ist ärztlicher Leiter des Corona-Testzentrums bei Ostermann. Doch längst nicht alle Corona-Maßnahmen hält er noch für angemessen. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Nachvollziehbar sei die Ablehnung von Impfungen zwar, aber unbegründet. „Ich bin ein großer Freund von Impfungen“, betont Thöns. Die weltweiten Zahlen sprächen für sich. Kinder seien durch die Impfung zu 98 Prozent vor schweren Verläufen geschützt, Erwachsene hätten 40-fach weniger Risiko, schwer zu erkranken. „Wenn unter 100 Corona-Patienten auf Intensiv nur zwei Geboosterte sind, dann ist das ein wahnsinniger Erfolg“, so der Wittener. Schwere Impffolgen wie einen allergischen Schock gäbe es zwar, dies sei aber extrem selten.

Thöns hält einige Corona-Maßnahmen für überzogen

Thöns gehört zu den Ärzten, die sich für das Impfen und Testen in Witten von Anfang an starkgemacht haben. Aber nicht mit allen Corona-Maßnahmen geht er konform. „Die aktuelle Welle ist nicht so gefährlich, wie uns weisgemacht wurde“, meint Thöns. Den Intensiv-Stationen drohe keine Überlastung, viele Kontakt-Beschränkungen und die Flut der PCR-Testungen hält der Mediziner für übertrieben, die Impfpflicht zudem für nicht wirklich nötig.

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Dennoch steht er offenbar im Focus der Querdenker – wie nicht nur die gefälschte Nachricht zeigt. „Ich bekomme gruselige E-Mails von Impfgegnern.“ In Foren und auf Telegram würden die Mitglieder aufgefordert, den Impfärzten schlechte Bewertungen ins Netz zu stellen. „Da steht dann etwa ,Er hält sich nicht an ethische Standards’ – und man kann nichts dagegen machen.“ Das sei einfach schlechtes Niveau. „Und das tut dann schon weh.“