Witten. Matthias Thöns fordert mehr Schutz für Pflegeheimpatienten vor dem Coronavirus. Der Wittener Palliativmediziner hat dazu klare Vorstellungen.
Als Narkosearzt hat Dr. Matthias Thöns in seiner Praxis an der Wiesenstraße derzeit wenig zu tun, weil viele Eingriffe wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Doch als Palliativmediziner begleitet er genauso viele sterbenskranke Patienten wie sonst.
"Wir haben uns frühzeitig mit Schutzausrüstung ausgestattet", sagt er. Auch Patienten und deren Familien seien damit ausgerüstet und Medikamente ausreichend vorhanden, so dass einem Besuch in der Wohnung nichts entgegenstehe. "Vor 14 Tagen war das noch befremdlich für die Betroffenen, wenn wir da mit Maske und Gesichtsvisier aufgetaucht sind. Inzwischen haben sich alle daran gewöhnt, geben auch nicht mehr die Hand", so Thöns.
Wittener Palliativmediziner: Große Welle kommt erst noch
Der Palliativmediziner warnt davor, in Sachen Corona alle Hoffnung in die Intensivmedizin zu setzen. Stattdessen plädiert er dafür, jene Patienten palliativ zu begleiten, die daheim bleiben wollen oder Apparatemedizin ablehnen. "Ich glaube, die große Welle kommt erst noch auf uns zu." Betroffen seien vor allem alte Menschen in Pflegeheimen. Diese besser zu schützen, ist dem Palliativmediziner ein großes Anliegen. Besuchsverbot sei das eine.
"Aber man sollte die Bewohner auch nicht bei jedem Husten oder Durchfall in die Klinik schicken." Denn dabei würden sie sich einem größeren Infektionsrisiko aussetzen, hätten viel mehr Kontakte, etwa zum Rettungsdienst und zum Krankenhauspersonal. Und hinterher stünden noch zwei Wochen Zimmer-Quarantäne an.
Gemeinsam mit dem Palliativnetz und der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten wolle man deshalb einen besseren Bereitschaftsdienst auf die Beine stellen, um Krankenhausaufenthalte von Pflegeheimpatienten auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Er ist sicher: "Die Behandlung lässt sich oft auch in den Heimen managen." Ein ausreichendes Medikamentendepot etwa sei vorhanden.
Ambulanter Hospizdienst bietet Begleitung per Telefongespräch
Auch mit der zunehmenden Vereinsamung eben jener Menschen durch Kontakt- und Besuchsverbote beschäftigt sich Matthias Thöns. "Das macht ja auch krank." Deshalb begrüßt er das Engagement des Ambulanten Hospizdienstes Witten-Hattingen, der Teil des Palliativnetzes ist. Weil die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen alle persönlichen Kontakte zu begleiteten Menschen im häuslichen und stationären Bereich einstellen mussten, wollen sie neue Möglichkeiten ausschöpfen.
"Wir haben zum Beispiel Seniorenwohnheime angeschrieben und angeboten, über das Telefon Kontakt zu halten", sagt die Wittener Koordinatorin Andrea Glaremin. Das Angebot richte sich - wo es überhaupt möglich ist - nicht nur an Menschen, die der Hospizdienst bereits häuslich begleitet. Man wolle den Bogen weiter spannen und denke an ein grundsätzliches Gesprächsangebot für kranke und einsame Menschen, aber auch für Angehörige.
Weil Blickkontakt aber eigentlich so wichtig ist, wird den Hospizdienst der Vorstoß des Palliativnetzes freuen: "Wir kämpfen gerade für Videotelefonie, suchen und sammeln Spenden", so Matthias Thöns, der zum Vorstand gehört. "Das", sagt Andrea Glaremin, "würde tatsächlich vieles leichter machen".