Witten. Heinz-Peter Andrick ist auf dem Baum: Das Wittener Grünflächenamt hat ein riesiges Loch in sein Beet geschnitten. Wie begründet die Behörde das?
Zwanzig Jahre lang hat Heinz-Peter Andrick ein Baumbeet vor seinem Wohnhaus an der Annener Straße gehegt und gepflegt. Der heute 72-Jährige ist einer der Baumpaten der Stadt, die sich ehrenamtlich um das städtische Grün vor ihrer Haustüre kümmern. Um den Kirschbaum herum hat Andrick vor Jahren eine kleine Hecke gepflanzt. Am vergangenen Freitag traute der Rentner dann seinen Augen nicht: Mitarbeiter des Grünflächenamtes schnitten mit einer Kettensäge ein riesiges Loch in das Gehölz.
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„Mir ist das Herz übergegangen“, sagt Heinz-Peter Andrick. 2002 hatte der Wittener die Patenschaft für zwei Baumbeete in seiner Nachbarschaft übernommen. Da waren sie noch unbepflanzt. Andrick setzte dort Sträucher ein, sah ihnen beim Wachsen zu, sorgte dafür, dass sie stets frei von Müll und sorgsam zurecht gestutzt waren.
Baumbeet ist für Wittener Paten nun ein „Schandfleck“
Denn recht radikal wurde ein großes Stück der Hecke zum Gehweg hin abgetrennt. Sein über Jahre gehegtes Beet sei nun ein „Schandfleck“, sagt Andrick. Viele Nachbarn hätten ihn schon angesprochen, was dort passiert sei. „Aber da geh ich jetzt nicht mehr ran, da krieg ich auch keinen Schnitt mehr rein.“ Was ihn besonders ärgert: „Man sieht doch, dass das Beet gepflegt wird, da könnte man doch fragen, bevor man auf diese Weise daran geht.“
Schon einmal, vor etwa drei Jahren, habe er einen Trupp des Grünflächenamtes gestoppt, erzählt Andrick. Damals sollte die Hecke abgeschnitten werden, damit eine Beschauung des Stammes auf möglichen Pilzbefall möglich sei. Daraufhin habe er in Rücksprache mit den Mitarbeitern selbst Hand angelegt und statt eines Radikal-Schnitts lediglich direkt um den Baumstamm herum die Zwergmispel kreisrund gestutzt und so den Stamm freigelegt.
Baumpate will sich künftig nicht mehr kümmern
„Seitdem haben die Leute das als Mülleimer benutzt“, erzählt der Annener. Den Abfall habe er stets herausgefischt und entsorgt. „Aber gekommen, um sich den Baum anzuschauen, ist niemand“, ist sich der Rentner sicher. Zumindest habe er niemanden gesehen.
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Am vergangenen Freitag aber kam Andrick zu spät. Das Loch in der Hecke war schon geschnitten. „Da möchte man sich um sein Umfeld kümmern, und dann sowas. Ich kann es nicht nachvollziehen.“ Frustriert möchte der 72-Jährige sich nun zurückziehen, sich nicht mehr um die Beete kümmern. „Aber so wie es ist, kann es nicht bleiben. Die Leute bleiben stehen und schütteln den Kopf“, erzählt er. Nun müsse die Hecke ganz weg, findet er. Das sei nun aber Aufgabe der Stadt.
Schonzeit für Hecken von 1. März bis 30. September
Am 1. März beginnt die Schonzeit für Hecken und Sträucher. Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet dann bis zum 30. September Hecken „abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen“, also knapp über dem Boden zu kappen. Die Vorschrift dient dem Vogelschutz, denn die Tiere suchen im Frühjahr nach Brutplätzen. In Hecken und Gebüschen finden sie geeignete Stellen, um Nester zu bauen.In Witten gibt es nach Auskunft der Stadt rund 100 Baumpaten wie Heinz-Peter Andrick. Seit Jahren verzeichne man eine leicht steigende Tendenz.
Doch warum ist es überhaupt zu dem unansehnlichen Heckenschnitt in Annen gekommen? Das Grünflächenamt führe derzeit im gesamten Stadtgebiet ähnliche Rückschnitte durch, erklärt die Stadt auf Nachfrage. Es gehe dabei aber nicht um einen möglichen Pilzbefall, sondern darum, die Standfestigkeit der Bäume kontrollieren zu können. Dazu müsse der Wurzelbereich einsehbar sein. Die Kontrolle solle im Laufe des Jahres passieren. Den Rückschnitt habe man jetzt vorgenommen, weil es derzeit, was den Tier- und Naturschutz anbelangt, eine günstige Zeit ist. Für Heinz-Peter-Andrick ist das wohl nur ein schwacher Trost.