Witten. Während ein Mann im Koma lag, haben zwei Senioren in Witten sein Konto geplündert. Aber das war noch nicht alles. Die Strafe ist empfindlich.
Am Ende waren die Indizien eindeutig und die Angeklagten geständig. Ein 77-jähriger Mann aus Viersen und seine 74-jährige Partnerin aus Bochum sind am Mittwoch vor dem Amtsgericht Witten wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilt worden. Der Mann muss für zwei Jahre und neun Monate hinter Gitter, die Bochumerin bekam ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Sie sollen einem im Koma liegenden Freund aus Wengern zwischen November 2019 und Januar 2020 in Witten 7000 Euro vom Konto abgehoben und zudem seinen BMW verhökert haben.
„Meine Mandantin räumt die Vorwürfe ein. Sie bedauert das Ganze und schämt sich dafür“, sagte der Anwalt der Angeklagten direkt zu Beginn der Verhandlung. Insgesamt sieben Mal sollen die beiden an der Sparkasse Witten und der Volksbank jeweils 1000 Euro vom Konto geplündert haben. Den BMW verkauften sie für 7000 Euro.
Vollmachten sorgten für Irritation
Der Angeklagte hingegen zögerte zunächst mit einem Geständnis. Erst nach einem rund halbstündigen Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gab auch der 77-Jährige die Vorwürfe zu. Aber wieso hat er das überhaupt gemacht? „Gelegenheit macht Diebe“, so der Anwalt. Der Beschuldigte habe durch den Zugriff auf das Konto eine sehr schnelle und einfache Möglichkeit gesehen, die eigenen wirtschaftlichen Probleme zu lösen.
Dafür muss grundsätzlich erst einmal eine Vollmacht erteilt werden. Und hier wurde es kompliziert. Dem Gericht lagen drei Dokumente vor, in denen der Geschädigte den Angeklagten einige Rechte einräumte. Die erste vollumfängliche Vollmacht samt Patientenverfügung wurde demnach im Januar 2019 für den 77-Jährigen ausgestellt. Danach folgten aber noch zwei weitere Vollmachten, in denen das Opfer auch der Angeklagten die Ermächtigung erteilte, Entscheidungen für ihn zu treffen. Das sei ein Freundschaftsdienst im Rahmen seines 80. Geburtstags gewesen. Zudem tauchte ein weiteres Dokument auf, das besagte, dass der Viersener über das Auto des Opfers verfügen durfte.
„Wieso gab es diese weiteren Zusatzvollmachten?“, fragte Richterin Barbara Monstadt. Eine richtige Antwort konnten die beiden Angeklagten darauf nicht geben. Allgemein wurde es hier und da wirr. So gab der Mann an, in Viersen zu wohnen. Monstadt allerdings habe bei der Vermieterin angefragt und erfahren, dass das gar nicht mehr der Fall sei. Auch, ob die beiden wirklich ein Paar sind, konnten sie nicht richtig beantworten. „Es ist eine Zweckgemeinschaft“, sagte der 77-Jährige.
Angeklagter hat Bankkarte aus Krankenhaus in Witten mitgenommen
Langes Vorstrafenregister
Während die Angeklagte zuvor strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, weist der Verurteilte ein langes Vorstrafenregister auf. Zwischen 1981 und 2014 musste er bereits mehrere Freiheitsstrafen absitzen, unter anderem wegen Betrug und Steuerhinterziehung.Beim jetzigen Prozess wurden ihm zudem auch noch kleinere Diebstähle vorgeworfen. So soll er bei verschiedenen Supermärkten in Witten unter anderem Käse und Desinfektionsmittel geklaut haben.
Und dann wäre da die Frage, wie sie überhaupt an die Bankkarte gekommen sind. Noch bevor er ins Koma fiel, habe der Geschädigte, der mittlerweile im Pflegeheim lebt und nicht an der Verhandlung teilnahm, den 77-Jährigen im Marien-Hospital gebeten, die Karte mitzunehmen, so der Angeklagte. Er habe nicht gewollt, dass etwas geklaut wird. „Und woher kannten sie den Pin?“, fragte Richterin Monstadt. Den habe der Wengeraner ihm gesagt.
In der Urteilsverkündung fand die Richterin deutliche Worte. „Das mit den Vollmachten ist immer noch fraglich. Klar ist aber, dass ein Mensch Ihnen vertraut hat.“ Die Angeklagten hingegen hätten das ausgenutzt und „alles abgeräumt, was geht“. Auch die Staatsanwältin appellierte an die Moral. „Sie waren beide mit dem Opfer befreundet. Es ist aus moralischer Sicht bedenklich, dass man einen Freund in einer Notlage so ausnimmt.“