Witten. Mit 67 Jahren geht Emmanuel Reiss in den Ruhestand. Im Laden „Les bons Vins“ an der Ardeystraße in Witten läuft der Ausverkauf. Wir sagen: Adieu.
Die Tage des kleinen Weinladens „Les bons Vins“ an der Ardeystraße 125 sind gezählt. Nach 36 Jahren Selbstständigkeit schließt Emmanuel Reiss (67) sein feines Weingeschäft am Silvestertag für immer. Aus Altersgründen und weil er trotz intensiver Suche keinen Nachfolger gefunden hat.
Der Abschied fällt nach fast vier Jahrzehnten schwer. „Aber die Zeit ist reif für die dritte Halbzeit“, meint der waschechte Franzose, der in der Stadt bestens als Manu bekannt ist, nachdenklich. Und die Ruhrstadt hat künftig leider eine „gediegene Adresse“ weniger. Das weinende Auge ist dabei größer als das lachende. Denn Manu hat zeitlebens viel Herzblut in seinen Weinhandel gesteckt: „Guter Wein - das ist mein Leben.“
Edle Tropfen gibt’s in Witten mit Rabatt
Bis zum Jahresende wird jetzt das Weinlager geräumt. Edle französische Tropfen aus handverlesenen Chateaux - aus seiner Heimat Bourgogne, der Provence oder dem Medoc – können Weinliebhaber jetzt mit 25 Prozent Rabatt erstehen. „Was weg ist, ist weg“, so Manu weiter. Auch das Inventar will er verkaufen. Denn den Laden will er im Februar „besenrein“ übergeben.
Als Weinkenner hat Manu seine Kunden stets persönlich und individuell betreut. Fachsimpeln gehörte für ihn dazu. Denn schließlich weiß der Experte, wovon er spricht. Im Herzen des Burgunds aufgewachsen, ist er von Kindesbeinen mit exzellenten Winzern und besten Weinen vertraut.
Mit einem winzigen Kiosk in Bommern angefangen
„Den Burgunder habe ich selbstverständlich in meiner Heimat gekauft“, schmunzelt der Franzose. „Und jeden Einkauf mit einem Familienbesuch verbunden.“ Die großen Discounter und das Internet seien heute eine großes Problem. „Die machen den Winzern das Leben schwer und die Preise kaputt“, meint er nachdenklich.
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Angefangen hatte alles mit einem winzigen Kiosk in Bommern. Dort startete der Franzose und Wahl-Wittener sein kleines Liebhaber-Unternehmen. Im Laufe der Jahre standen mehrere Umzüge an. Vom Kiosk Auf dem Brenschen zum Reesenhof und weiter zur Ardeystraße 125. Heute, 36 Jahre später, existiert dieser Geheimtipp für Weinkenner nur noch ein paar Tage.
Als Austauschschüler nach Witten
Emmanuel Reiss kam Anfang der Siebziger Jahre als Austauschschüler nach Witten. Aus dem ersten Besuch und vielen Gegenbesuchen in seiner Heimatstadt Dijon entstanden viele Freundschaften. In der Ruhrstadt lernte er auch seine Ehefrau Erika kennen und lieben. Beide waren lange Zeit Vagabunden - zwischen Dijon, Paris, Düsseldorf und Witten. Bis sie 1978 schließlich in Erikas Heimatstadt Witten sesshaft wurden.
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Seine beliebten Bistro-Abende mit mehrgängigen Menüs hat Manu schon vor Jahren aufgegeben. Aber Kochen ist für den gelernten Koch bis heute eine Leidenschaft. „Zu einem guten Wein gehört schließlich auch ein gutes Essen“, sagt der Franzose in seinem charmanten Deutsch-Französisch hinzu. Schmunzelnd hat er ein Goethe-Zitat auf Lager: „Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“
Seine Pläne für die Zukunft beschreibt der Franzose so: „Leere Zeit wird es für Erika und mich nicht geben. Auch wenn vieles anders sein wird.“ So will er häufig Petanque spielen, die Handballer vom TuS Bommern anfeuern und der französischen Nationalmannschaft die Daumen drücken. Beide wollen viel reisen und außerdem „Leben wie Gott in Frankreich“ - aber eben an der Ruhr.