Witten. 15 Ehrenamtliche helfen seit einem Vierteljahrhundert mit der „Tafel“ an der Herbeder Straße leise im Hintergrund. 2500 Kunden kommen regelmäßig.
Ein Vierteljahrhundert ist es jetzt her, dass die Wittener Tafel 1996 aus der Taufe gehoben wurde. Das Jubiläum begeht der Verein coronabedingt ohne Feierlichkeit, genauso wie seine Hilfe pro Jahr 2500 Wittener still und leise erreicht.
In 25 Jahren sind die guten Seelen der Tafel nie an die Öffentlichkeit gegangen. Jeden Vormittag packen die Ehrenamtlichen mit ab, beim Kochen, Ware holen oder Verteilen. Ihren Namen möchten noch nicht einmal die fünf Mitglieder des Vorstands preisgeben. „Wir helfen lieber im Verborgenen“, heißt es.
Der Wittener Tafel-Gründer dagegen ist schon bekannt: Jürgen Schumacher hatte schon länger die Idee, sich im Wittener Stadtgebiet sozial zu engagieren. Als er dann von der Gründung der ersten Tafel in Berlin las, war schnell klar: Das ist das Projekt, das er auch in Witten umsetzen wollte. Um Gleichgesinnte zu finden, gab er ein entsprechendes Inserat in der Zeitung auf. Das Echo war groß: Rund vierzig Interessierte meldeten sich und gründeten schließlich am 13. November 1996 in Witten die 92. Tafel Deutschlands.
Supermärkte spenden rund 250 Tonnen überschüssige Ware
Die gleichlautenden Ziele lauten seitdem auch in der Ruhrstadt: Lebensmittelrettung, Schaffung eines Ortes der Kommunikation sowie eines Sprachrohrs für die von Armut betroffenen oder bedrohten Menschen.
Ein eigener Transporter mit der Aufschrift „Jeder gibt, was er kann“ fährt dazu bis zu zwanzig Lebensmittel-Sponsoren im Wittener Stadtgebiet an und holt im Jahr rund 250 Tonnen überschüssiges Gemüse, Obst, Wurstwaren, Konserven, Milchprodukte und Backwaren ab, die sonst wohl in der „Braunen Tonne“ gelandet wären. Im Prinzip beteiligen sich fast alle Wittener Discounter und Supermärkte, etwa Lidl, Aldi, Edeka oder Rewe. Nur ein großer Innenstadt-Supermarkt mache nicht mit. „Aber zurzeit haben wir ein gutes Aufkommen an Sponsoren“, so der Tafel-Vorstand.
16.000 Mahlzeiten pro Jahr verteilt
Bis zu 2500 Bedürftige in Witten - ob alleinerziehend, von Altersarmut betroffen, (langzeit-)arbeitslos oder aus der Heimat geflohen – werden durch die meist ehrenamtlichen Helfer unterstützt. Die Wittener Tafel bietet somit für rechnerisch rund 2,5 Prozent der Wittener Bevölkerung Lebensmittel, ein kostenloses Frühstück to go und – coronabedingt, statt frisch gekochtem Mittagessen – Fertigmahlzeiten in dem Eckhaus an der Herbeder Straße 22 an. Und wer Zahlen mag: Verteilt werden jährlich rund 16.000 Mahlzeiten und zusätzlich rund 13.200 Kunden im Tafellädchen bedient. In dem kleinen Laden werden Lebensmittel und Dinge des täglichen Lebens für „kleines Geld“ abgegeben.
Den Bedürftigen der Tisch gedeckt
„Die Lebenslagen benachteiligter Personen verbessern“ – so steht es in der Satzung der Tafel, die am 13. November 1996 in Witten anfing. Mit Lebensmitteln, die in den Betriebskantinen der Stadt übrig bleiben, wurde den Bedürftigen der Tisch gedeckt.Von der Diakonie an der Humboldtstr. 11 zog die Tafel 1997 an die Johannisstr. 48 um. 1999 wechselte sie zur Röhrchenstr. 10. Im April 2000 eröffnet sie an der Sprockhöveler Straße 131. Am 9. Juli 2002 zog sie in die Herbeder Straße 22. In der alten Villa konnten endlich Küche, Büro und Lädchen zusammengelegt werden. Geöffnet ist der Tafelladen werktags von 9 bis 13 Uhr. Die Essensausgabe ist wegen der Pandemie eingeschränkt: Weil der Gemeinschaftsraum geschlossen ist, wird das Frühstück direkt an der Küche ausgegeben, für den Kaffee muss man eine eigene Tasse mitbringen. Montags, mittwochs und freitags gibt es statt Mittagessen kostenlose Fertiggerichte zum Mitnehmen.
Was nicht selbst verteilt werden kann, gibt die Wittener Tafel regelmäßig an die Obdachlosenunterkunft „In der Mark“, die Tafel Hattingen, regionale Verteilstellen und Organisationen wie foodsharing, Help Kiosk und Ruhrtalengel weiter. Außerdem kümmern sich die Helfer nach Voranmeldung um die Vermittlung von gespendeten gut erhaltenen Möbeln, Kleidung und Elektrogeräten.
Ein offenes Ohr finden
Genauso wichtig wie Essen und Trinken ist: Bedürftige Menschen finden mit der Tafel einen Anlaufpunkt, in dem sie Helferinnen und Helfer unterstützen und ihnen zuhören. „Es gibt so viele ergreifende, lustige und traurige Geschichten“, weiß das Team. Tafeln verbinden nicht nur den Überfluss mit dem Mangel, Tafeln verbinden eben auch Menschen.
Die Tafel so zu betreiben, ist mit großem finanziellen Aufwand verbunden. Gelder der Stadt Witten fließen nicht, die Kosten werden überwiegend aus Spenden und den Einnahmen des im Jahr 2000 eröffneten „Tafellädchens“ abgedeckt. Fünfzehn meist ehrenamtliche Helfer sind bei der Wittener Tafel durchschnittlich im Einsatz. Zusätzliche „Manpower“ kommt auch über das Jobcenter und junge Leute vom Bundesfreiwilligendienst. Besonders bedanken möchte sich der Vorstand bei vielen Wittener Unterstützern.
Lob vom Dachverband
Großes Lob kam auch vom Dachverband aus Berlin: „Eine Tafel aufzubauen und über so lange Zeit am Leben zu halten und mit Leben zu füllen: Dazu braucht es eine gute Organisation, ein noch besseres Miteinander und viele unterschiedliche Talente“, schreibt Jochen Brühl, Vorsitzender der „Tafel Deutschland“ in einem Grußwort zum 25-jährigen Bestehen der Wittener Tafel. Er gratuliert zu dieser „täglichen Meisterleistung“. „Ich bin froh, dass es Menschen wie Sie gibt, die nicht wegsehen und für andere einstehen. Das macht unsere Gesellschaft und die Gemeinschaft bei Ihnen im Ort menschlicher und lebenswerter.“
Spenden sind willkommen auf dem Konto bei der Sparkasse Witten, DE68 4525 0035 0000 0189 11. Info: www.wittenertafel.de