Witten. Es ist fast Weihnachten und Lilly lässt uns in ihre Tüte gucken. Wir treffen sie vor der Tafel in Witten. Was die 30-Jährige erzählt.

Es ist die übliche Schlange, die sich an diesem Mittwoch (23.12.) vor der alten Villa an der Herbeder Straße gebildet hat. Männer, die rauchen, Frauen mit Einkaufswägelchen, hier und da ein Kind an der Hand. Es ist alles wie immer bei der Tafel in Witten, wäre da nicht Weihnachten. Wir haben uns drei Schicksale schildern lassen.

Fangen wir mit Lilly an. Ein Piercing an der Lippe, eines in der Augenbraue, eine junge kräftige Frau, offen und zugewandt. Irgendwann ist die 30-Jährige falsch abgebogen, vermutlich schon die Eltern. "Straße, obdachlos, Drogen, Alkohol, Gewalt in der Familie", fasst sie ihre Lebensgeschichte in einem Satz zusammen. Das klingt hoffnungslos und trotzdem macht Lilly gar keinen verlorenen Eindruck.

Kein Geld und keine Wohnung. Zum Glück gibt es noch die Tafel in Witten

Zurzeit wohnt sie bei einem Freund, Drogen und Alkohol habe sie gut im Griff. Weil es nach einem Ortswechsel offenbar noch nicht mit ihrem Hartz-IV-Antrag geklappt hat, habe sie derzeit kein Geld und sei obdachlos. Ohne die Tafel sähe es momentan noch schlechter aus.

Wie all die rund 30 Frauen und Männer, die an diesem regnerischen Morgen vor Heiligabend ihr Frühstück in der alten Villa abgeholt haben, hat auch Lilly eine Weihnachtstüte dazubekommen. Wir werfen einen Blick hinein. Kekse, Marmelade, Nüsse, Tortellini, Äpfel, Mandarinen, eine Tafel Schokolade, eine Dose Tomatencremesuppe - vielleicht ist es das einzige Geschenk, das Lilly bekommt. Und wenn sie einen Wunsch frei hätte, fragen wir die junge Frau, deren drei Kinder nicht bei ihr leben? "Dass es meinen Kindern gut geht." Frohe Weihnachten, Lilly.

"Mein Cholesterin ist zu hoch", sagt ein älterer Mann

Ein älterer Mann, der seinen Namen nicht nennen mag, steht noch in der Schlange, um gleich im Tafellädchen einzukaufen. Die Rente und das Wohnungsgeld reichen zwar zum Leben. Aber zuletzt sei das Wohnungsgeld wieder nicht überwiesen worden und er habe viel geschrieben und bisher keine Antwort bekommen, erzählt der 67-Jährige. Was er sich heute für Weihnachten holt? "Brot, Obst, mein Cholesterin ist zu hoch, da sind Orangen, Weintrauben und Gemüse wichtig." Ein Butterbrot mit Ziegenkäse wird er sich Heiligabend machen und "ein bisschen Kohlsuppe". Frohe Weihnachten.

Schließen wir mit Shiela, einer Philippinin, die gerade mit ihrem blauen Trolley die Tafel verlässt und Richtung Innenstadt läuft. Hinter der Maske verbirgt sich eine hübsche, junge, gepflegte Frau. Auch sie und ihr Mann sind arbeitslos und auf das Jobcenter angewiesen. Vor fünf Jahren kamen sie nach Deutschland, für ein "besseres Leben".

Shiela aus Witten wünscht sich einen Buggy für ihren Sohn

Wenn sie zur Tafel geht, um für ihre Familie günstig Lebensmittel zu holen, könnten sie ein bisschen sparen, sagt die 35-Jährige mit den dunklen Haaren. Sie hat einen zehn Monate alten Sohn, der für sein Vater und das Tragetuch langsam zu schwer werde. Deshalb muss die Asiatin über ihren Weihnachtswunsch auch nicht lange nachdenken: "Ich wünsche mir, dass wir einen Buggy für unseren Sohn kaufen können." Frohe Weihnachten, Shiela.

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