Witten. Manche Häuser verfallen, die Kriminalität wächst: Die Anwohner des Quartiers Annenstraße/Ardeystraße in Witten fühlen sich allein gelassen.

Dass es im Viertel an der Ecke Annenstraße/Ardeystraße etliche Probleme gibt, ist bekannt – erinnert sei an die Sorgen um die Schrottimmobilien oder an den Brandbrief der Bruchschule. Seitdem haben sich Vertreter verschiedener Institutionen und Anwohner zu einem „Runden Tisch“ zusammengeschlossen. Mit Kinderbetreuung oder einer Elternberatung wollen die ehrenamtlich Engagierten das Abrutschen des Quartiers verhindern. Nun fordert man dort ein deutliches Durchgreifen von Polizei und Stadtverwaltung. Grund ist eine Zunahme von Einbrüchen.

Ernüchternder kann es kaum sein. „Bei uns ist eingebrochen worden“, steht auf einem Zettel im Schaufenster des Ladenlokals Annenstraße 3. Dort bietet Theatermacherin Beate Albrecht seit fast zwei Jahren Schauspielprojekte an, stellt die Räume aber auch für Hausaufgabenbetreuung, Spielenachmittage, Beratungen zur Verfügung. Ein Ankerpunkt für die Kinder, die sonst nur auf der Straße rumhängen, soll dies sein, und genau dort wurde im September bereits zwei Mal geklaut – unter anderem Musiktechnik und eine Klarinette, ein Wert von fast 12.000 Euro. Die Kriminellen haben dem Engagement einen dicken Dämpfer verpasst.

Polizeistatistik listet nur einen Einbruch im letzten Monat auf

Hat kein gutes Umfeld: Die Bruchschule in Witten.
Hat kein gutes Umfeld: Die Bruchschule in Witten. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Auch die umliegenden Geschäftsleute erzählen von Einbrüchen. In der offiziellen Polizeistatistik tauchen diese nicht auf, lediglich einen Kioskeinbruch an der Annenstraße kann Polizeisprecher Marco Bischoff benennen. Es gebe allerdings Fälle, in denen sich Betroffene nicht trauen, Anzeige zu erstatten, weiß dagegen Beate Albrecht.

„Wir müssen höllisch aufpassen, dass das Quartier nicht kippt“, sagt Dennis Sohner. Der Vorsitzende des SPD-Ortsverein Witten-Mitten und ehemalige Anwohner hatte im Januar 2021 erstmals zu einem Runden Tisch eingeladen. Mit dabei sind unter anderem Quabed, Kolping, Caritas, Awo und die Martin-Luther-Kirchengemeinde. Anlass waren die seit Jahren festzustellenden negativen Entwicklungen, das i-Tüpfelchen der Hilfeschrei von Schulleiterin Susanne Daum im Dezember 2020: Dauernder Vandalismus, Vermüllung sowie die Sorge um die Unterrichtsqualität. Seit einigen Jahren besuchen immer mehr Schüler die Schule, die kaum Deutsch sprechen. Die meisten Zugezogenen stammen aus Osteuropa.

Viele Probleme im Kleinen gelöst

Ein erstes wichtiges Ziel, das durch den Runden Tisch erreicht wurde, ist der Aufbau einer Kinderbetreuung in der Annenstraße 3. Regelmäßig und gerne kommen die Kinder dort vorbei: zur Nachhilfe oder zum Spielenachmittag. Auch deren Eltern wird geholfen, dazu macht das „Biwaq“-Projekt der Kolpingzentren in dem Ladenlokal Station. Auch eine ehrenamtliche Übersetzerin ist regelmäßig vor Ort. Viele Probleme konnten sie im Kleinen lösen. Rolf Kappel von der Caritas nennt ein Beispiel: „In den Schulferien hing ein Achtjähriger den ganzen Tag auf der Straße herum. Er hat sich einfach versteckt. Dabei hatte er einen OGS-Platz, seine Mutter konnte nur den Brief nicht übersetzen.“

„Wir haben inzwischen einen Draht zu den Leuten und ihr Vertrauen“, so Beate Albrecht. Sie und die anderen Ehrenamtlichen wissen aber auch: „Es gibt hier eine tolle Initiative, die von offizieller Seite stabilisiert werden müsste“, sagt Ralf Kapschack (SPD), der bis gestern für Witten im Bundestag saß. Er glaubt an eine „Überforderung des Systems“. Die sozialen Strukturen vor Ort müssten deutlich ausgebaut werden, etwa durch ein Quartiersmanagement, wie es es zum Beispiel in Heven-Ost/Crengeldanz gibt.

Eindruck: „Die Stadt nimmt das einfach hin“

„Die Akteure in der Grundschule oder hier im Quartier müssen spüren, dass man hinter ihnen steht“, sagt Rolf Kappel. Dennis Sohner beschreibt die Lage so: „Das können engagierte Menschen vor Ort nicht alleine kitten. In anderen Städten kann man beobachten, was passiert, wenn man zu lange wegschaut oder nicht genau genug hinschaut.“