Witten. Der Satanistenmord von Daniel und Manuela Ruda gilt als spektakulärster Kriminalfall Wittens. Er liefert den Stoff für einen Gerichts-Podcast.

Es war der spektakulärste Kriminalfall in der jüngeren Wittener Geschichte: der Satanistenmord am 6. Juli 2001 in der Breite Straße. Das Ehepaar Manuela und Daniel Ruda hat damals Rudas Arbeitskollegen Frank Hackerts ermordet – angeblich, um Satan ein Opfer zu bringen. Gut 20 Jahre später hat sich WAZ-Gerichtsreporter Stefan Wette erneut mit dem Fall befasst. Im Podcast „Der Gerichtsreporter“ erzählt er in zwei Folgen, was das Paar zu diesem Mord bewegt hat.

Stefan Wette, der seit über 30 Jahren für die WAZ aus dem Gericht berichtet, glaubt: Die vom Boulevard und anderen Medien als Satanisten von Witten hochstilisierten Eheleute Ruda, damals 23 und 26 Jahre alt, waren schlicht verrückt, psychisch gestört. „Ihr Zusammentreffen ist der Klassiker, wie eine unglückliche Konstellation zweier Menschen ein nur brutal zu nennendes Eigenleben entwickeln kann. Hätten Manuela und Daniel Ruda sich nie kennengelernt, ihr Mordopfer Frank Hackerts wäre heute wahrscheinlich noch am Leben.“

Heute gelten die Rudas als geheilt

Den 33-Jährigen haben sie mit 66 Messerstichen und Hammerschlägen getötet. Die Polizei, informiert von Manuela Rudas Mutter, hatte die Leiche neben einem Eichensarg, Totenschädelattrappen, umgedrehten Kreuzen und SS-Runen in der Wohnung gefunden. Ein Sondereinsatzkommando nahm das Mörderpärchen im Sommer 2001 nach einer mehrtägigen Flucht in Thüringen fest.

2002 waren die „Satanisten von Witten“ das Medienereignis. Immer neue Geschichten aus der Satanistenszene buddelten Journalisten aus. „Das hat damals viel Kritik hervorgerufen. Die Satanisten wehrten sich gegen eine angebliche Mordlust ihrer Gruppe“, erinnert sich Wette. Richtigzustellen sei auch die damals oft vorgenommene Gleichsetzung von Gruftis und Anhängern der Gothic-Szene mit den Satanisten.

Beide wachsen behütet auf

In seinem Podcast schildert Stefan Wette ausführlich die Biographien der Täter. Eine Besonderheit dieses Falls sei nämlich, dass in ihren ersten Lebensjahren eigentlich nichts auf die kommende Katastrophe hingewiesen hat. „Sie wachsen keineswegs in zerrütteten Familien auf, Gewalterfahrungen in früher Kindheit sind ihnen fremd. Behütet sind sie, bekommen Bildungschancen auf dem Gymnasium.“

Daniel Ruda kommt 1975 in Herten zur Welt. Eine zehn Jahre ältere Schwester gehört zum Haushalt, sein Vater ist Chemiefacharbeiter, seine Mutter Hausfrau. Die Erziehung durch seine Eltern schildert er später als liebevoll, dennoch habe es feste Regeln gegeben. Auf der Grundschule fühlte er sich dank seiner überdurchschnittlichen Intelligenz seinen Mitschülern überlegen und sich selbst unterfordert. Mit zwölf Jahren, so beschreibt er es selbst, will er eine „innere Leere“ gespürt und erste Visionen vor Augen gehabt haben, in denen er anderen Menschen die Köpfe abgebissen habe.

Leben am Rande der Gesellschaft

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Seine spätere Frau Manuela wird 1978 in Witten geboren und wächst als Einzelkind in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Der Vater arbeitet bei der Bahn, die Mutter ist Hausfrau. Die beiden hätten sie immer gut behandelt, erzählt die 23-Jährige später ihren Gutachtern.

Erst zu Beginn der Pubertät verändert sie ihr Äußeres und kommt erstmals mit einem Irokesenhaarschnitt nach Hause. Fasziniert beobachtet sie das Leben am Rande der Gesellschaft, mit 13 Jahren wird sie Mitglied der Wittener Punkerszene. Nach der zehnten Klasse verlässt sie das Gymnasium.

Doppelfolge zu den Rudas

Der erste Teil der Doppelfolge über das Ehepaar Ruda vom Podcast „Der Gerichtsreporter“ ist bereits erschienen, der zweite Teil folgt am Montag, 1.11., um 16 Uhr.

Alle zwei Wochen veröffentlichen Moderatorin Brinja Bormann und Stefan Wette montags eine neue Podcast-Folge. Alle Folgen auf: www.waz.de/gerichtsreporter. Spannende Berichte dazu www.waz.de/akte-nrw.

Im Bäckerei-Café verdient sie das Geld für die eigene Wohnung in der Breite Straße. Sie wechselt zwischen den Szenen, gehört mal zu den Vampiren und lässt sich die Eckzähne ziehen und dafür spitze Implantate einsetzen. Auf ihr Äußeres achtet sie, posiert auf Internetseiten in Lack und Leder, trägt gefärbte Kontaktlinsen, verändert ihre Haare. Geschlafen habe sie in einem Sarg in ihrer Wohnung, was problemlos sei: „Ich drehe mich nicht im Schlaf.“

„Schwarzer Vampir sucht Wesen der Finsternis“

Daniel Ruda lernt sie über eine Kontaktanzeige in einer Metal-Zeitschrift kennen. Der Text lässt keinen Zweifel, welche Seele er suchte: „Schwarzer Vampir sucht Wesen der Finsternis, das alles und jeden verachtet und mit dem Leben abgeschlossen hat.“ Ihre Beziehung soll auf Erden nicht von Dauer sein. „Wir haben beide gewusst, dass wir nicht hierhin gehören“ – damit meint Manuela den geplanten gemeinsamen Selbstmord. Dazu kam es aber nie.

Nachdem das Landgericht Bochum Daniel und Manuela Ruda im Jahre 2002 zu langjährigen Haftstrafen und Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie verurteilt hatte, gelten sie heute als geheilt und bauen sich eine neue Existenz auf. Beide wurden entlassen – Manuela 2011 und Daniel 2017. Sie haben ihre Nachnamen gewechselt und sind aus dem Ruhrgebiet verzogen.